Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
Vom Netzwerk:
rein gar nichts tun. Das war das Schlimmste.
    Das Wetter machte es auch nicht besser. Warum fuhr sie nicht nach Hause, legte sich aufs Sofa und zog sich die Decke über den Kopf? Doch das hatte sie im letzten Vierteljahr schon zu oft getan. In den ersten Wochen war das ganz in Ordnung gewesen, sie hätte sowieso nichts anderes geschafft, als den Weg vom Sofa in die Küche und gelegentlich am Bad vorbei, selbst die einfachsten Dinge waren ihr schwergefallen. Irgendwann war es etwas heller geworden, und diesen Moment hatte sie genutzt, um wieder in den Dienst einzutreten. Und nun das. Warten. Nichts tun können. Keine Alternativen. Keine Wahl. Bayer hatte gesagt, man müsse die Wahl haben. Aber sie hatte keine. Nicht in dem Fall und nicht für sich selbst.
    Sie schlug mit der Faust aufs Lenkrad. Es hupte. Erschrocken sah sie sich um, aber der Verkehr auf der Umgehungsstraße hielt sich in Grenzen, niemand schien Notiz von ihr genommen zu haben. Sie sollte zu Bayer fahren, bog aber stattdessen in den Druffelsweg ein und parkte den Wagen hinter dem Präsidium.
    Bevor sie das Radio ausschaltete, sagte es: »Nach der Herabstufung der Bonität der USA durch die Ratingagenturen herrscht weltweite Verunsicherung auf den Märkten.«Verunsicherung auf den Märkten. Am schnellsten würde die bei Rolf Lux und seinen Nachbarn ankommen, und bei Chalid, der vielleicht jetzt gerade in Beirut landete. Erst später, viel später, würde Julia persönlich davon betroffen sein, gesetzt den Fall, dass es nicht nur Hysterie und heiße Luft war, wie sie es schon oft erlebt hatte mit derartigen Meldungen. Eigentlich konnte sie froh sein, dass es ihr gut ging. Sie war nicht froh. Sie war undankbar.
    In der Kantine aß sie etwas, das nach Tapete schmeckte, der Regen beendete seine Pause und im Flur saß Frau Chalid mit rot geweinten Augen. Sie traf Conrad und Sven lauthals lachend im Büro an.
    »Fröhlichen Tag«, sagte sie.
    Sie verstummten abrupt.
    »Was willst du denn hier?«, fragte Sven.
    »Ich langweile mich.« In gewisser Weise stimmte das sogar.
    »Da kann dir geholfen werden«, warf Conrad ein. »Du gehst zur Piotrowsky und fragst sie, was mit Frau Chalid wird. Sie sitzt draußen.«
    »Was macht sie da überhaupt?«
    »Wir haben sie noch einmal befragt. Sie sagte, dass Rasid ziemliche Probleme mit ein paar Jungs hatte. Der Vater hätte nichts davon wissen dürfen. Hätte immer verlangt, dass Rasid sich wehrt. Das sei aber nun mal nicht Rasids Art gewesen.« Conrad räusperte sich. Julia konnte sich genau vorstellen, wie das Gespräch abgelaufen war. Sicher hatte die Frau die ganze Zeit geweint, und die beiden hatten es hilflos über sich ergehen lassen.
    »Und wieso soll ich jetzt zu der Piotrowsky? Wieder von Frau zu Frau, oder was?« Auf Ausländerbehörde hatte Julia so gar keine Lust, ganz sicher nicht in diesem Fall.
    Conrad und Sven nickten synchron.
    »Na, toll. Wann wird hier mal noch ‘ne Kollegin eingestellt? Ihr habt sie doch schon befragt. Außerdem: Es ist nicht mein Fall.«
    »Dein Fall scheint mir aber im Moment nicht so vordringlich, oder? Mir kommt es so vor, als würde die Chalid nicht alles sagen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie schweigt, weil da irgendwer aus ihrer Verwandtschaft mitmischt. Die müssen wir noch mal durchchecken. Da wird die Piotrowsky Bescheid wissen, die hat bestimmt ein paar Adressen für uns. Verdammt, Julia. Entweder du bist wieder im Dienst oder nicht. Bist du?«
    Julia sah eine Weile aus dem Fenster, auf die Platane, in den Regen. »Wo finde ich sie?«
    Julia ging zu Fuß zum Schützenwall, nur begleitet von ihrem Regenschirm. Im Büro der Piotrowsky roch es nach ihrem Parfüm. Julia hatte sich die Frau völlig anders vorgestellt, älter, überarbeiteter. Die Piotrowsky reichte ihr eine Hand mit perfekt manikürten Nägeln und ließ sie Platz nehmen. Auch alles andere an ihr war perfekt, von den schmalen Fesseln bis zu dem weißbezahnten Lächeln.
    »Ich habe die Akte schon rausgesucht.« Sie blätterte, schüttelte den dunkelblonden Bob: »Ich sehe da keine Möglichkeit, den Aufenthalt von Frau Chalid zu verlängern«, und blickte auf.
    Das war nicht Julias Frage gewesen, aber bevor sie überhaupt nach dem Onkel oder anderen Verwandten fragen konnte, war die Piotrowsky ihr zuvorgekommen. Trotzdem sagte Julia: »Ihr Sohn wurde umgebracht.«
    »Das ändert nichts an ihrem Aufenthaltsstatus. Die Chalids haben sich in der Vergangenheit nicht eben kooperativ gezeigt.«
    »In welcher

Weitere Kostenlose Bücher