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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Text mitgebracht?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Weil Sie Ihren Großvater mochten?«
    Wahrscheinlich hätte sie diesen sanften Mann mitsamt seinem Bauch und seinen Büchern gemocht, wenn sie Gelegenheit dazu gehabt hätte. Statt auf die Frage zu antworten, versicherte sie sich noch einmal Bayers Verschwiegenheit und erzählte dann von Rasid und seinen Eltern.
    »Ich kann da nicht weitermachen. Auf die Dauer«, sagte sie.
    »Aber Sie müssen?«
    Julia nickte.
    »Dann müssen Sie das tun.« Er steckte sich einen neuen Zigarillo an und hustete.
    »Aber ich kann doch nicht … wenn es so etwas gibt.«
    »Sie wollen, dass es gerecht zugeht.«
    »Sicher. Wer will das nicht.«
    »Gegen Illusionen kann man nichts machen.«
    »Aber …«
    »Als sie sich vom Halse zu schaffen.«
    »Wir leben in einer Demokratie.« Julia war überzeugt, dass sie funktionierte.
    »Was hat das eigentlich mit den Bildern zu tun, die Sie immer wieder quälen«, fragte Bayer, und: »Haben Sie sich nun für eine Therapie oder fürs Bücherschleppen entschieden?«
    Sie überlegte und spürte ihre Gesichtsmuskeln. »Sie arbeite bis zur Vergasung, hat die Tussi von der Ausländerbehörde gesagt.«
    Bayer erhob sich erneut, lief zu einem der Stapel und kniete nieder. »Kommen Sie. Hier muss es sein. Ich kann es doch nicht richtig sehen.«
    Was hatte er denn jetzt wieder? Seufzend hockte sie sich neben ihn. »Was suchen Sie?«
    Er kniete sich hin und räumte die oberen Bücher auf den nächsten Stapel, nahm ein Buch und hielt es hoch. Ein dünnes Bändchen. Er hielt es eine Armlänge von sich, kniff die Augen zusammen.
    »Ist es das?«
    »LTI, Lingua Tertii Imperii, Victor Klemperer.« Julia sah fragend auf.
    »Lesen Sie das.« Er hievte sich hoch. So leicht wie sein Gang war, so schwer fiel ihm das Aufstehen. »Immer bleibt etwas haften in der Sprache. Und jetzt helfen Sie mir endlich, dieses Zeug hier herauszubringen.«
    Sie drehte das betagte Reclam-Bändchen in der Hand. Die Sprache des dritten Reiches hatte ihr gerade noch gefehlt, aber sie wollte nicht unhöflich sein. »Therapie und Bücher schleppen?«
    »Vielleicht kann Ihnen ja das ein oder andere Buch hilfreich sein.« Die Fältchen neben seinen Augen vertieften sich.
    Irgendwie hatte sie sich eine Psychotherapie anders vorgestellt.
    »Die Couch habe ich abgeschafft, als ich Platz für die Bücher brauchte«, sagte er.
    »Wo sollen die denn nun hin?«
    »Nach draußen.«
    »In den Regen?«
    »Nein. In den Hänger, über den Sie gestolpert sein müssen. Das Kloster Gerleve nimmt sie für den Bücherflohmarkt. Wer will heute schon noch alte Bücher?« Bayer griff sich einen Stapel. »Außerdem habe ich die Vorstellungen, die auf der Couch zu Hause waren, gleich mit abgeschafft.«
    Julia nahm ebenfalls einen Packen Bücher. »Die da wären?«
    »Dass alle Probleme nur den fehlgeleiteten Trieben zuzurechnen seien. Da haftete mir zu viel eigene Schuld dran. Ich habe es nicht so mit der Schuld, wissen Sie.«
    »Sondern?«
    Bayer ächzte leise hinter ihr. Sie hielt ihm die Tür auf.
    »Mit der Verantwortung.«
    Tatsächlich stand ein Anhänger für einen PKW rechts in der Einfahrt, den Julia übersehen hatte.
    »Was stellen Sie in die Regale, wenn die Bücher weg sind? Neue Bücher?«
    »Nein. Ich ziehe weg.«

20
    Der Trecker war langsam. Ich nicht. Ein Seitenweg. Ich riss das Lenkrad herum, wich aus und spürte, wie der Benz holperte, einsank und auf die Seite schwankte. Eine Unendlichkeit später stand er. Ich blickte ins Grün und hoffte darauf, dass der Hubschrauber in meinem Inneren zur Landung ansetzte. Als seine Rotoren stillstanden und nur noch der Motor dröhnte, zitterte ich die Kappe von der Flasche und trank. Es regnete nicht und es war trotzdem passiert. Es gab keinen Schutz, nirgends, nie. Ich trank noch einen Schluck und wartete die Wirkung ab. Viele Stunden lag der letzte Drink zurück, und ich musste mich einige weitere Schlucke und eine ganze Zeit gedulden.
    In den Nachrichten wurde vor dem Herannahen einerneuen Unwetterfront gewarnt. Der Moderator kündigte einen Blues an, »I’m a lonely man« , Südstaatenhitze aus dem Radio. Ich stieg aus und versank im Matsch, rutschte aus, fing mich aber. Das rechte Vorderrad hing in der Luft über einem bis zum Rand gefüllten Graben, das Hinterrad steckte fest, was ein Glück war, denn andernfalls läge der Wagen in dem Graben. Nein, von Glück konnte nur bedingt die Rede sein, denn ich konnte nicht erkennen, wie ich ihn aus dieser Lage

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