Die Spur des Blutes (German Edition)
des Opfers notdürftig zu reinigen. Damit war die Wahrscheinlichkeit, doch Spuren zu finden, sehr viel größer. Es war ein Jammer, dass Miller sterben musste, um ihnen möglicherweise nützliches Beweismaterial zu liefern.
Sobald der Coroner und sein Assistent den Körper auf eine Rollbahre geladen hatten, nahm Jess seinen Zustand in Augenschein. Keine Blutergüsse, soweit sie erkennen konnte, aber viele Blutflecke und Spuren von etwas, das, wie sie vermutete, die gleiche Substanz war, die sie auch an Howards Füßen gefunden hatten. An den Handgelenken und unteren Bereichen der Waden fanden sich einige Verfärbungen, dort, wo er die Glieder vielleicht fixiert hatte, während er die Hände und Füße abgesägt hatte. Bei der Vorstellung, wie lange diese Bestialität gedauert haben mochte, wurde Jess übel.
Vor Wut fürchtete sie die Fassung zu verlieren. Sie trat einen Schritt von der Leiche zurück und von der Wut. Selbst Empörung war kontraproduktiv, wenn man den nächsten Zug dieser Art von Mörder vorhersagen wollte.
Sie wandte sich an Harper. »Ich bin hier fertig, Sergeant.«
»Ich rufe die Einheit auf dem Weg an und bestelle sie zu der ersten Adresse.«
Als sie zu Harpers Wagen gingen, fragte sie sich, warum sie einen Ort nach dem anderen aufsuchten statt alle gleichzeitig. Vermutlich weil Harper überall persönlich die Aufsicht führen wollte, um sicherzugehen – falls der Täter und Lori dort waren –, dass niemand einen Fehler machte.
Während Harper fuhr, ließ Jess noch einmal die anderen Tatorte Revue passieren. Die drei Entführungen unterschieden sich erheblich voneinander. Lori hatte der Täter zum Ort der Entführung gelockt, dann war er abgefahren, ohne etwas zu hinterlassen, so wie bei Belinda Howard in dem Haus in der Liberty Park Lane. Das erste Opfer wurde weiterhin vermisst, während die anderen beiden gefoltert, in Millers Fall ermordet, und dann abgeladen worden waren.
Warum wich der Grad der Folter von Howard zu Miller so stark ab? Warum ließ er Howard am Leben, mit nur oberflächlichen Wunden, verglichen mit den Opfern des Spielers? Natürlich hätte Howard an dem Blutverlust durchaus sterben können, aber im Vergleich mit Millers entsetzlichen und tödlichen Wunden waren ihre Verletzungen kaum mehr als ein Kratzer. Der abrupte Wandel wies nicht nur auf einen Täter hin, dessen Technik alles andere als ausgefeilt war, sondern auch auf ein emotionales Moment, das den Mörder antrieb. Was er Miller angetan hatte, stank nach Wut und der Entschlossenheit, etwas zu beweisen.
Er hatte gezeigt, dass er ein Mann war.
Bei dem Gedanken zog sich ihr die Kehle zusammen, und das Atmen fiel ihr schwer. Möglicherweise war es eine Kombination von Jess’ neunmalkluger Botschaft und der Tatsache, dass Howard überlebt hatte, die ihn dazu zwang, sich noch mehr anzustrengen, um den Mörder, den er offensichtlich idealisierte, zu beeindrucken. Und Jess zu zeigen, wer hier der Boss war.
Egal welche Motive und Gefühle eine Rolle spielten, jeder Schritt führte zurück zu Eric Spears. Jess war ein wichtiges Mitglied des Ermittlerteams im Spieler-Fall gewesen. Die anonymen Kontaktaufnahmen begannen nach ihrer Befragung von Spears.
Was, wenn Spears nicht der Spieler war? Sondern irgendeine Rolle in seinen Spielen spielte? Wie viele Mörder genau verbargen sich hinter diesem schwer fassbaren Spieler?
Einer? Zwei? Ein ganzes Team?
North Thirty-First Street, 3:55 Uhr
Die ehemalige Autowaschanlage am Parkway East war ein Schlag ins Wasser gewesen. Früher war ein Teil der Anlage genutzt worden, um Autos generalzuüberholen, doch heute war das gesamte Gebäude leer bis auf einige Schichten Staub. Es gab keine Anzeichen, dass sich in den letzten Jahren jemand im Inneren aufgehalten hatte. Die unberührte Staubschicht war der Beweis.
In einer alten Tankstelle mit einer Werkstatt auf der anderen Seite der Stadt fanden sich zwar Fett- und Ölflecke auf dem Betonboden, aber auch hier gab es keinen Hinweis auf eine Nutzung in den letzten Jahren.
Jess wartete mit Harper in seinem SUV, während die Suchmannschaft das Areal der letzten Örtlichkeit auf seiner Liste absuchte. Das Gebäude stand in der Mitte eines großen und lange vernachlässigten Parkplatzes. Ein hoher Zaun umgab das Gelände. Die umliegenden Gebäude standen alle ein gutes Stück entfernt. Die meisten Fenster waren mit Brettern vernagelt. Laut Angaben des Maklers, der die Immobilie betreute, gab es im hinteren Teil des Gebäudes eine
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