Die Spur des Boesen
verzog sein Gesicht. »Augenzeugen sind allerdings immer heikel.«
»Der Name stimmt.«
»Teresa Fulbrook?«
»Teresa Thomes. Das war die andere Frau, die ungefähr zu der Zeit in Avalon gestorben ist, als Sissy verschwunden ist. Ich habe die Spur nicht weiter verfolgt, weil ich mich gleich auf diese Nancy Anne Goff gestürzt habe. Ich wette, wenn wir das noch nachprüfen, finden wir raus, dass sie gleichzeitig beide Identitäten angenommen hat.«
»Ganz schön schlau«, meinte Corso. »Ein Name, mit dem sie die Stadt verlässt. Ein anderer, mit dem sie untertaucht. Damit ist es praktisch unmöglich, gefunden zu werden.«
»Und jetzt?«
Er drehte die Handfläche nach oben. »Molina.«
34
Teresa Fulbrook strich mit einer Hand durch ihr Haar, während sie in der anderen den Föhn hielt. Ihre platinblonden Stacheln waren weichen Locken in einem Schwarzton gewichen, der, soweit sie sich erinnerte, ihrer natürlichen Haarfarbe am nächsten kam. Sie zog am Haar, holte eine Schere aus der Küchenschublade und nahm im Spiegelbild des Küchenfensters noch ein paar kleinere Korrekturen vor. Nachdem sie das Haar an einigen Stellen wieder platt geklopft hatte, legte sie die Schere zurück.
Tommie de Groot ließ den ausgeklappten Zylinder seines Colts her um wirbeln. »Zwei Fliegen mit einer Klappe«, sagte er. »Sich diese beiden neugierigen Fuzzis vom Hals schaffen heißt, die beiden Menschen zu erledigen, die als einzige gesehen haben, wie ich diesen Professor erschossen habe. Ziemlich geschickt, wenn du mich fragst.«
Teresa öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie aus dem Augenwinkel heraus etwas wahrnahm. Rasch trat sie ans Fenster.
»Gordie kommt nach Hause«, stellte sie fest.
Tommie hörte auf, mit dem Revolver zu spielen, und steckte ihn in seine Tasche.
Er trat neben sie. »Dachte, er hat Spätschicht.«
»Vielleicht ist er krank«, erwiderte sie. »War in letzter Zeit ziemlich wetterfühlig.«
Dicht nebeneinander beobachteten sie, wie der weiße
Ford Pickup zehn Meter entfernt anhielt. Gordie stieg aus und schlurfte geduckt zum Seiteneingang.
Gordon Fulbrook war sechsundfünfzig, elf Jahre älter als sie, und oben völlig kahl bis auf einen drahtigen, schwarzen Kreis, der sich hartnäckig knapp über der Stirn hielt. Als Eigenbrötler und ewiger Junggeselle war er ihrer sanften Fürsorge rasch erlegen. Damals hatte sie Mama May noch nicht gekannt und angenommen, die Farm gehöre Gordie, doch ihr zukünftiger Ehemann hatte sich nie die Mühe gemacht, dieses Missverständnis aufzuklären. Als Mama May aus ihrem Winterquartier in Florida zurückgekehrt war, waren sie schon eineinhalb Monate verheiratet gewesen. Die Quelle fleischlicher Freuden, in der Gordie gebadet hatte, war im Nu versiegt, als seine Angetraute erfahren hatte, dass die zweieinhalbtausend Hektar seiner schaufelgesichtigen Mutter gehörten, auf die sie einen Hass empfand, der weit über ihre eigentliche Beziehung hinausging und auf Gegenseitigkeit beruhte.
Anders als seine Mutter war er klein. »Alles an dir ist klein!«, schimpfte Teresa immer, wenn sie wütend war. Eins achtundsechzig, genauso klein wie sie. Vielleicht achtundsechzig Kilo, und das nur, wenn er pitschnass war. Verlor jedes Jahr noch ein paar Pfund.
Er platzte durch die Küchentür. Blieb abrupt stehen.
»Du hast deine Haare anders.«
»Ja.«
»Mir hat der Scheiß sowieso nicht gefallen. So was passt nich' zu 'ner Hausfrau in deinem Alter.«
»Du wiederholst dich.«
»Wo sind die Mädchen?«
»Bei deiner Mama.«
Er drehte den Kopf. Bemerkte Tommie, der neben dem Tisch mit den beiden Taschen stand. »Wo geht's hin?«
»Ich bring'Tommie zum Flughafen nach Chicago.«
»Ach ja?«
»Er hat für Mitternacht einen billigen Flug gekriegt.«
»Billigen Flug, hä?«
»Ja.«
»Und wie kommt's, dass kein Geld mehr auf der Bank ist, wenn er einen so billigen Flug gekriegt hat?«
»Was?«
»Du hast genau verstanden. Ich wollte mit Perry und den Jungs zum Mittagessen gehen. Hatte nicht genug fürs Essen und den Kuchen dabei, den ich den Mädchen versprochen habe, deswegen habe ich am Automaten welches ziehen wollen. Das Scheißding wollte mir aber nichts geben.« Er blickte wieder auf die Taschen. »Ich gehe also rein, und da erzählt man mir, du hättest beide Konten leergeräumt.«
»Ich habe dir was zum Mittag gemacht.«
Er durchquerte die Küche. »Wo ist das Geld?«, wollte er wissen. »Zwölfhundert vom
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