Die Spur des Verraeters
den Trick hereingefallen. Was für ein Dummkopf er gewesen war!
Doch die für Sano verhängnisvollsten Aussagen kamen von Dolmetscher Iishino und Kommandant Ohira. »Ich habe die Gespräche zwischen dem sôsakan-sama und dem Kapitän des holländischen Schiffes gedolmetscht«, erklärte Iishino. »Die Nahrungsmittel, die der sôsakan-sama an Bord schicken ließ, waren in Wahrheit die Bezahlung für Waffen, die er von den Barbaren bekommen hat.« Iishino bedachte Sano mit einem Grinsen, aus dem Gerissenheit und Bedauern zugleich sprachen. »Und als er ein privates Gespräch mit Dr. Huygens führte, stand ich vor der Tür und habe ungewollt mit angehört, wie der sôsakan-sama Huygens den Vorschlag für ein Bündnis zwischen ihm und den Holländern machte. Wenn die Barbaren dem sôsakan helfen, Shogun zu werden, will er ihnen uneingeschränkte Handelsprivilegien mit Japan gewähren.«
Kommandant Ohira schließlich sagte mit müder, tonloser Stimme: »Ich habe mehrmals beobachtet, wie der sôsakan-sama die Holländer bevorzugte. Er hat sie mit übertriebener Milde behandelt, ja, er scheint in die Barbaren so vernarrt zu sein, dass er sie den eigenen Landsleuten vorzieht. Ich kann euch versichern, dass ich alles getan habe, um eine solche Verbrüderung zu verhindern, aber der sôsakan-sama hat sich meinen Bemühungen widersetzt.«
»Da wir nun die Beschuldigungen gehört haben, die gegen Euch erhoben werden, sôsakan-sama «, sagte Statthalter Nagai, »dürft Ihr zu Eurer Verteidigung sprechen oder Eure Verbrechen gestehen. Es steht Euch auch frei, Seppuku zu begehen, um Eure Ehre zu wahren.«
Seppuku – der rituelle Selbstmord, bei dem das Opfer sich selbst den Leib aufschlitzte.
Sano stieß ein trockenes, humorloses Lachen aus. »Ich werde gar nichts gestehen! Die Beweise sind gefälscht. Und die Zeugen haben alles verdreht dargestellt – alles, was ich gesagt und getan habe. Diese Verhandlung ist eine Posse!«
Nagai schüttelte ernst den Kopf. »Wir nehmen Euren Einspruch zu Protokoll. Aber die Beweise, die von glaubwürdigen Zeugen vorgebracht wurden, erhärten meine eigene Einschätzung, dass Ihr ein verderbter Mensch seid, der verbrecherische Ziele verfolgt. Statt den Weg des Kriegers zu gehen, habt Ihr den Weg des Verräters gewählt. Ich klage Euch hiermit sechs verschiedener Verbrechen an. Erstens, der Führung einer Schmugglerbande. Zweitens habt Ihr die Ermittlungen in einem Mordfall dazu missbraucht, japanische Bürger in Verruf zu bringen. Drittens habt Ihr Euch mit dem Barbaren Huygens verschworen, den Shogun zu stürzen. Viertens habt Ihr Euch vom Kapitän des holländischen Schiffes Waffen im Tausch gegen Lebensmittel beschafft. Fünftens habt Ihr versucht, Euch über Abt Liu Yun der militärischen Unterstützung durch die Chinesen zu versichern, und sechstens habt Ihr den christlichen Glauben praktiziert.«
Verrat ! Die schlimmste Schande für einen Samurai, die nur mit dem Tod gesühnt werden konnte. Entsetzen erfüllte Sano, wurde aber rasch von heißem Zorn verdrängt. »Diese Anklagen sind lächerlich und völlig unbegründet! Man will mir diese Verbrechen anhängen! Ich bin unschuldig!«
Zu spät erkannte Sano, wie gefährlich sein Interesse an den Barbaren und sein Verlangen nach der Wahrheit und Gerechtigkeit gewesen waren. Dadurch hatte er sein Leben und das Hiratas gefährdet, hatte Statthalter Nagai, Dolmetscher Iishino und Kommandant Ohira herausgefordert. Sano war sicher, dass einer dieser Männer – vielleicht auch alle drei –, in das Schmuggelgeschäft verwickelt war. Nun wollten sie Sano zum Schuldigen abstempeln, um sich vor den Folgen seiner Entdeckungen zu schützen. Vielleicht war das alles sogar im Voraus geplant gewesen – mit dem Einverständnis von Kammerherr Yanagisawa. Wieder hatte Sano das seltsame Gefühl, dass unter den Beamten Nagasakis Spannungen herrschten. Er erinnerte sich, schon einmal den Verdacht gehabt zu haben, dass sie gar nicht wollten , dass der Mord an Jan Spaen aufgeklärt wurde. Hatten diese Leute Spaen erschossen und Pfingstrose getötet?
»Eures hohen Ranges wegen«, fuhr Nagai fort, »können wir Euch nicht hier und jetzt verurteilen und ins Gefängnis bringen lassen. In Eurem Fall wird ein Tribunal stattfinden, bei dem die Magistraten aus drei Provinzen den Vorsitz führen werden. Es wird ungefähr drei Tage dauern, bis sie sich hier in Nagasaki versammelt haben.«
Sano konnte sich denken, wie dieses Tribunal ausging. Wie die hohen Beamten
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