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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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feuern, die versuchten, den Segler aufzuhalten. Sanos schlimmste Ängste waren Wirklichkeit geworden: Der Krieg hielt in Japan Einzug, weil es ihm nicht gelungen war, den Mord an einem Barbaren aufzuklären.
    Sano schwang sich auf sein Pferd und galoppierte hügelabwärts zum Hafen. Eine verängstigte, lärmende Menschenmenge strömte ihm entgegen; die Leute suchten Schutz vor den holländischen Bordkanonen. Andere waren mutiger – oder neugieriger – und rannten zum Strand hinunter. Von Balkonen und Hausdächern beobachteten die Menschen das Geschehen. Scharen ausländischer Kaufleute, die sich um ihre vor Anker liegenden Schiffe sorgten, strömten verängstigt durch die Tore der Handelsstationen, begleitet von aufgeregten japanischen Wachsoldaten. Rufe und Schreie erfüllten die Straßen.
    »Die Barbaren werden uns töten!«
    »Lasst uns in die Hügel fliehen!«
    Doshin versuchten vergeblich, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Mit Bogen, Arkebusen, Schwertern und Speeren bewaffnete Soldatentrupps ritten oder marschierten zum Hafen.
    Dann ließ ein zweiter Donnerschlag Himmel und Erde erbeben und hallte zwischen den Hügeln wider. Augenblicke später schoss in der Nähe der zerstörten Schaluppe eine Fontäne aus Rauch und Wasser in die Höhe. Als das Krachen und Donnern verebbte, waren wieder entsetzte Schreie zu hören.
    »Aus dem Weg!«, rief Sano, um niemanden niederzureiten, als er sein Pferd durch die Menschenmenge lenkte. Irgendwie musste er den Schaden, den er angerichtet hatte, wieder gutmachen. Vielleicht handelte der holländische Kapitän überhastet genug, sein Leben in einer Schlacht gegen die zahlenmäßig überlegenen japanischen Truppen aufs Spiel zu setzen. War er jedoch besonnen, konnte er die Stadt mit den Bordkanonen seines Schiffes in Schutt und Asche legen.
    Auf der Hafenpromenade wimmelte es bereits von japanischen Soldaten, als Sano dort eintraf. Mit Wachsoldaten bemannte Boote trieben vor den Küsten Deshimas und verhinderten jeden Kontakt zwischen der Besatzung des holländischen Seglers und den Barbaren auf der Insel. Die Seeleute, die den Beschuss der Schaluppe überlebt hatten, retteten sich an den Strand, während das Meer ihr zerstörtes Schiff verschlang. Von der Wachstation der Hafenpatrouille aus fuhren weitere Schaluppen, bis auf den letzten Platz mit Soldaten bemannt, in Richtung des holländischen Seglers, der immer näher kam – riesig, bedrohlich. Blutrote Flaggen flatterten auf den Spitzen der Klippen zu beiden Seiten der Hafeneinfahrt. Rasch band Sano sein Pferd vor der Station der Hafenpatrouille an und rannte über den Steg.
    »Wartet!«, rief er der letzten Schaluppe nach, die soeben abgelegt hatte.
    Niemand beachtete seinen Ruf. Plötzlich erblickte Sano Matrosen, die ein Stück weiter den Strand hinunter die drei Kriegsschiffe Nagasakis zum Ablegen bereitmachten. Die Seeleute bemannten die Ruderbänke, brachten die Kanonen in Stellung, setzten die Segel und zogen die Banner mit dem Wappen der Tokugawa auf. Sano rannte los und erreichte das größte der drei Kriegsschiffe in dem Moment, als die Kanoniere und Bogenschützen an Deck Aufstellung nahmen und Statthalter Nagai als oberster Militärbefehlshaber der Stadt, gefolgt von seinen Adjutanten und Dolmetscher Iishino, über den Laufsteg an Bord ging.
    Der Statthalter trug eine prachtvolle Rüstung, deren Brustpanzer mit roten Lackarbeiten verziert war, Ärmel aus Kettenpanzer, einen Waffenrock mit roten Seidenstickereien und einen Helm mit goldenen Geweihstangen. Iishino trug ebenfalls eine Rüstung, machte aber einen ängstlichen, unsicheren Eindruck. Als Sano den Laufsteg erreichte, stand Nagai bereits an Deck und führte eine hitzige Diskussion mit dem Kapitän.
    »Wir werden unter gar keinen Umständen jetzt schon auf das holländische Schiff feuern«, sagte Nagai.
    »Aber, ehrenwerter Statthalter!«, rief der Kapitän. »Die Barbaren haben Japan bereits angegriffen. Wenn wir das einfach hinnehmen, könnten sie es als Zeichen von Feigheit auslegen. Ich kann das holländische Schiff zu einem Wrack zerschießen, und dann können die Kanoniere auf den Klippen ihm den Rest geben.« Sein Gesicht glühte vor Kampfeseifer. »Das ist die Gelegenheit, den Barbaren Japans militärische Stärke zu beweisen!«
    Die Offiziere pflichteten ihm lautstark bei, doch Statthalter Nagai wedelte mit seinem runden goldenen Kriegsfächer und schüttelte den Kopf. »Nein. Unsere Vorbereitungen zur Verteidigung sind noch nicht

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