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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Kette an den Beinen. Ich sehe, wie alle mich anstarren. Auch mein Vater ist da. Und Statthalter Nagai. Und meine Kameraden von der Hafenpatrouille … Sie alle verachten mich, weil ich ein Verräter bin.«
    Zum ersten Mal kamen Sano Zweifel an Kiyoshis Unschuld. Die Wahnvorstellungen des Jungen deuteten darauf hin, dass er unter schrecklichen Schuldgefühlen litt. Aber weshalb? Was hatte er getan?
    »Die Soldaten drücken mich vor den Henkern auf die Knie«, flüsterte Kiyoshi, und sein Zittern wurde immer heftiger. »Ich flehe um Gnade, denn ich bin unschuldig. Ich habe dem Shogun mein Leben lang treu gedient. Kein anderer Beamter der Hafenpatrouille arbeitet so hart wie ich.« Seine Stimme wurde lauter und bekam einen kläglichen, schrillen Beiklang. »Immer wieder habe ich mich zum freiwilligen Dienst gemeldet. Und ich habe mich in den Kampfkünsten geübt, sodass ich meinem Herrn stets Ruhm auf dem Schlachtfeld erwerben kann … Ich habe die Nächte auf dem Wachturm verbracht und nach ausländischen Kriegsschiffen Ausschau gehalten … Ich habe die holländische Sprache studiert, sodass ich die Barbaren verstehen kann, deren militärische Macht eine Bedrohung für unser Heimatland ist.« Seine Stimme wurde zu einem Heulen. »Nie habe ich etwas getan, das dem Shogun oder den bakufu schaden könnte! Wer das behauptet, ist ein Lügner!«
    Draußen auf dem Gang rief der Wächter: »Alles in Ordnung da drinnen?«
    »Ja!«, rief Sano rasch zurück, denn er befürchtete, die Störung könnte den Redefluss Kiyoshis zum Stocken bringen.
    Doch der junge Bursche, von seiner Wahnvorstellung in den Bann geschlagen, schien gar nicht mehr wahrzunehmen, was um ihn herum geschah. »Statthalter Nagai verliest die Anklagen, die gegen mich erhoben werden«, sagte er, und seine Stimme sank wieder zu einem Flüstern herab. »›Ohira Kiyoshi hat seine persönlichen Ziele höher gestellt als die Pflichten, die er dem Shogun und seinem Heimatland schuldet, und deshalb hat er sich Tokugawa Tsunayoshi und Japan gegenüber des Verrats schuldig gemacht. Er hat Blut an den Händen. Deshalb muss er sterben.‹«
    Persönliche Ziele? Blut an den Händen? Vielleicht war Kiyoshi tatsächlich einer der Schmuggler, der auf Befehl gehandelt hatte. Auf Befehl seines Vaters? Auf Befehl von Statthalter Nagai? Auf Befehl von Dolmetscher Iishino? Oder hatte Kiyoshi aus eigenem Antrieb gehandelt, um sich Geld für die Hochzeit mit Junko zu beschaffen? Hatte er sich mit Jan Spaen zusammengetan und den Barbaren bei einem Streit getötet? Und hatte er später auch Pfingstrose ermordet, weil die Kurtisane wusste, was er getan hatte? Hatte er gestern Abend, als er gefasst wurde, Sano die Schuld zugeschoben, damit sein eigenes Verbrechen weniger schwer erschien, sodass er mit einer leichteren Strafe davonkam?
    Waren die beiden überlebenden Barbaren in die Verbrechen verwickelt?
    Eine Mittäterschaft von Vizedirektor deGraeff konnte Sano nicht ausschließen. Und mit einem plötzlichen, unguten Gefühl musste er daran denken, dass Dr. Huygens sich auf Grund seiner Sprachkenntnisse mit den japanischen Mitgliedern der Schmugglerbande verständigen könnte. Wahrscheinlich hatte Huygens durch Gespräche mit Studenten, darunter Kiyoshi, Japanisch gelernt. Waren der Arzt und der junge Samurai vielleicht sogar Komplizen? Sano wollte nicht glauben, dass der umgängliche Dr. Huygens oder Kiyoshi, der ihn an seine eigene Jugend erinnerte, gemeine Verbrecher waren, doch falls er sich irrte, musste er es wissen.
    Sano rückte näher an Kiyoshi heran und legte dem Jungen eine Hand auf die schlanke, muskulöse Schulter. Er spürte Kiyoshis heftiges Zittern bis in den Oberarm hinein. »Hast du gestern Abend die holländischen Waren in die Höhle gebracht, Kiyoshi? Was meinst du damit, dass Blut an deinen Händen ist? Hast du irgendeinen Handel mit den Barbaren geschlossen? Und wenn, welchen? Warum hast du diese Lügen über mich erzählt? Antworte!«
    »Bitte, lasst mich los!« Vor Entsetzen verdrehte Kiyoshi die Augen. »Nehmt das Schwert weg! Hört mich an! Ich wollte nicht, dass jemand herausfindet … ich wollte verhindern … nein. Bitte. Nein !«
    Der Junge riss sich von Sano los und sprang auf. Sano verlor das Gleichgewicht und stürzte aufs Steißbein. Doch er spürte den Schmerz kaum, denn Kiyoshi hatte nun völlig die Selbstbeherrschung verloren. Er hämmerte mit den Fäusten an die Zellentür, heulte, schrie und winselte. Das Serviertablett mit den Speisen und

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