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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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sprach für sie, während Sano, der Angeklagte, eine Schlacht gegen Schuldvorwürfe führen musste, vor der weder sein Rang noch seine Leistungen ihn schützen konnten.
    »Von allen Zeugen ist Kommandant Ohira der Zweifelhafteste«, sagte Sano und kämpfte einen Anflug von Verzweiflung nieder. Nur noch wenige Augenblicke, und er würde den Holländern gegenüberstehen. »Niemand hat bessere Möglichkeiten, die Barbaren von Deshima fortzuschaffen und sie zu ermorden. Und es ist offensichtlich, weshalb Ohira mich als Verräter verurteilt sehen will – und als Mann, der einen unschuldigen Jugendlichen zu Verbrechen verleitet hat: Das würde das Verhalten seines Sohnes entschuldigen und weniger Schande über seine Familie bringen, nicht wahr?« Sano erzählte von seiner Beobachtung, dass Ohira vermutlich mit Hauptmann Nirin unter einer Decke steckte. »Für mich ist Kommandant Ohira der Hauptverdächtige.«
    »Aber aus welchem Grund hätte er Jan Spaen ermorden sollen?«, fragte Nagai ungeduldig.
    Das Fehlen eines Motivs war in der Tat der Schwachpunkt, wollte Sano Klage gegen Ohira erheben. »Das weiß ich noch nicht, aber ich werde es herausfinden«, erwiderte er. Nagai zuckte die Achseln und hielt den Blick auf das holländische Schiff gerichtet. Sano konnte nun die Besatzungsmitglieder an Deck sehen; die Barbaren waren bereit für einen neuerlichen Angriff. Hastig fuhr er fort: »Dieses Tribunal wird den Magistraten sehr viel Ärger und Arbeit machen und den bakufu eine große Summe kosten. Falls sich die Wahrheit herausstellt – dass die Anklagen gegen mich aus der Luft gegriffen sind –, werden die Magistraten sehr verärgert sein. Und wer die Gesetze missbraucht, um persönliche Ziele zu erreichen, wird vom bakufu bestraft. Außerdem habe ich Verbündete in Edo. Ihr könntet Euch viel Ärger ersparen, wenn Ihr die Klagen gegen mich fallen lasst, bevor die Sache weiter voranschreitet.«
    Ein Ausdruck der Wachsamkeit zeigte sich auf Nagais Gesicht; dann aber schüttelte er den Kopf. »Unmöglich. Dadurch würde ich die Zeugen als unglaubwürdig hinstellen.«
    Durch Sanos Freilassung hatte der Statthalter offenbar mehr zu verlieren, als wenn er die unbegründete Anklage wegen Verrats zurückzog. Ließ das auf eine Komplizenschaft Nagais bei den Morden und Schmuggeleien schließen? Fürchtete er sich davor, was bei den Nachforschungen Sanos über ihn zu Tage kommen könnte?
    »Das Gesetz verlangt, dass ich Verräter vor Gericht stelle – ohne Ausnahme und ohne Nachsicht«, fuhr Nagai fort. »Und was das Tribunal angeht, wurde von höchster Stelle bereits alles in die Wege geleitet und ist nicht mehr aufzuhalten.«
    In Sano verdichtete sich eine schreckliche Ahnung beinahe zur Gewissheit: Kammerherr Yanagisawa hatte seinen langen Arm bis nach Nagasaki ausgestreckt. Welche Motive Statthalter Nagai auch verfolgen mochte, der Kammerherr würde den Feldzug gegen Sano unterstützen. Doch bei einem Fehlschlag würde Yanagisawa den Statthalter bestrafen – und das wusste der gerissene Nagai natürlich.
    Das Kriegsschiff näherte sich nun dem Ring der japanischen Patrouillenboote. Statthalter Nagai beugte sich über die Reling und rief Befehle, worauf sich eine Lücke im Ring bildete. Das Kriegsschiff fuhr hindurch. Sano erkannte nun Kapitän Oss, der auf dem Oberdeck stand und dessen langes rotes Haar wie eine Flamme im Wind wogte. Er war von bewaffneten Männern umgeben und richtete seine Muskete direkt auf das japanische Kriegsschiff. Sano wusste, dass hinter den Reihen der Kanonen, deren Mündungen aus dem Schiffsbauch des holländischen Seglers ragten, Barbaren mit brennenden Fackeln standen, bereit, weitere todbringende Kugeln abzufeuern. Als einziger Mann an Bord des japanischen Schiffes trug Sano keine Rüstung. Er kam sich nackt und verletzlich vor.
    »Iishino!«, rief er. »Kommt zu uns an den Bug!«
    Der Dolmetscher eilte herbei. Sein Gesicht war kreideweiß. Das japanische Kriegsschiff näherte sich dem holländischen Segler bis auf eine Bootslänge, dann rief Kapitän Oss irgendetwas in den auffrischenden Wind. »Er sagt, wir sollen nicht näher kommen, sonst gibt er den Feuerbefehl«, übersetzte Iishino, der so heftig zitterte, dass die Schuppen seiner Rüstung rasselten und klirrten. »Ehrenwerter Statthalter, ich glaube, wir sollten gehorchen!«
    Nagai bedachte Sano mit einem eisigen Blick. »Jetzt hängt alles von Euch ab.«
    »Haltet das Schiff an!«, rief Sano dem japanischen Kapitän zu. Einem Angriff

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