Die Spur des Verraeters
da lang!«
Hirata stürmte durch die Küche, in der geschäftiges Treiben herrschte, und hinaus auf einen der Höfe, wo er auf zwei ältere Männer traf. Ihre verstohlenes Gehabe alarmierte sofort den Polizisten in ihm.
»Hundert zeni für eine Kiste Garnelen, zehn Wachteleier und ein Glas kandierte Pflaumen?«, sagte der eine, ein zerlumpt gekleideter gemeiner Bürger. »Das ist Raub!«
Der andere, der einen sauberen blauen Kimono trug, stand neben einem Korb, der die besagten Leckerbissen enthielt. »Aber es ist Ware erster Güte, die extra für die Gesandten des Shogun erworben wurde.« Der Mann im blauen Kimono war ungefähr fünfzig Jahre alt, hatte ein langes Gesicht, vorstehende Augen, aufgeworfene Lippen und einen spärlichen grauen Haarkranz. »Warum sollte ich die Sachen für weniger verkaufen, wo sie dir an deinem Lebensmittelstand das Doppelte bringen?«
Hirata vergaß seine Verfolger und packte den Arm des Glatzkopfs. »Wie kannst du es wagen, deinen Herrn zu bestehlen? Du bist verhaftet!«
Flink wie ein Affe kletterte der andere Mann über die Mauer, während der gefangene Dieb sich lächelnd verbeugte. »Erlaubt mir, mich vorzustellen, Herr«, sagte er. »Ich bin Alter Karpfen, seines Zeichens Lebensmittellieferant, stets zu Diensten. Habt Ihr Hunger? Hier ist ganz etwas Feines – und es kostet Euch nur den halben Preis!« Er nahm eine runde Schachtel aus Bambus aus dem Korb und hielt sie Hirata hin.
Wider Willen musste Hirata lachen. Mit seinen vorstehenden Augen und den vorgestülpten Lippen ähnelte der Mann tatsächlich einem Fisch. Und wie rasch er reagierte! Auf frischer Tat ertappt, versuchte er auch schon, sich durch Bestechung aus der Affäre zu ziehen. Offenbar vergaß er dabei, dass er Diebesgut an den Mann bringen wollte. Plötzlich sah Hirata die beiden Wachsoldaten in der Küche. Sie erblickten ihn und kamen sofort auf ihn zu. Hirata ließ Alter Karpfen los, sagte: »Du bekommst später deine Strafe«, und wandte sich zur Flucht.
Der gerissene Diener handelte blitzschnell. »Hier, nehmt das, Herr, mit den besten Empfehlungen«, sagte er und drückte Hirata die runde Bambusschachtel in die Hand. Dann nahm er den Korb, rannte zur Küchentür – und prallte mit den beiden Wachsoldaten zusammen, die soeben aus besagter Tür gestürzt kamen.
Der Korb segelte zu Boden und verstreute seinen Inhalt über den Hof. In einer Pfütze aus Reiswein und zerbrochenen Wachteleiern tummelten sich die lebenden Garnelen. Die beiden Wachsoldaten fluchten, als sie ins Rutschen kamen.
»Ich bitte tausend Mal um Vergebung, edle Herren!«, rief Alter Karpfen mit jammerndem Unterton.
»Mach den Weg frei, Kerl!«
Alter Karpfen winkte Hirata, dass er endlich die Flucht ergreifen solle, während der kleine, dicke Wachsoldat auf den zerbrochenen Wachteleiern ausrutschte und schwer auf den Rücken fiel. Sein hoch gewachsener Kamerad versuchte, Alter Karpfen auszuweichen, stürzte aber ebenfalls und landete mit dem Gesicht nach unten neben seinem Gefährten.
Hirata stürmte über den Hof zur Mauer. Die Schachtel, die Alter Karpfen ihm gegeben hatte und aus der ein köstlicher Duft aufstieg, warf er über die Mauer; dann kletterte er hinauf, schwang sich über die Mauerkrone, landete auf einem Nebenhof, hob die Schachtel auf, rannte durchs Tor und stürmte die Straße hinunter, wobei er Fußgängern auswich. Schließlich bog er in eine Gasse ab, lehnte sich an eine Hausmauer und brach in schallendes Gelächter aus.
Eine perfekte Flucht! Jetzt war er frei wie der Wind. Und was Alter Karpfen betraf – dessen Diebstahl wollte Hirata für dieses eine Mal übersehen. Das Gesicht noch feucht von Lachtränen, öffnete Hirata die Bambusschachtel und entdeckte zehn gefüllte, würzige Reiskuchen darin, die er genüsslich verschlang. Die Füllung war köstlich: Garnelen, Sojasoße und Schalotten. Hirata leckte sich die Finger ab und warf die Schachtel in einen Abfalleimer aus Holz. Mit vollem Magen und so guter Laune wie seit Tagen nicht, schlich Hirata vorsichtig aus der Nebengasse heraus, wobei er nach links und rechts schaute. Von den beiden Wachsoldaten war keine Spur zu sehen. Hirata machte sich auf den Weg den Hügel hinunter, um an der Küste und im Hafenviertel nach einer Fährte des verschwundenen Barbaren zu suchen.
Die Straßen wurden schmaler und belebter, als die Villen der reichen Kaufleute den bescheideneren Häusern der Handwerker und Händler wichen. Hirata, der noch immer nach den beiden
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