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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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von Schritten auf der Brücke; die Stimmen von Männern und Gelächter drangen ins Innere. »Ihr habt Glück. Da kommt gerade die Wachablösung«, sagte der Offizier vom Dienst.
    Eine Gruppe von etwa vierzig Samurai strömte in den Wachraum. Alle trugen Schwerter an den Hüften, identische Waffenröcke und Schienbeinschützer aus Leder und metallene Helme. Außerdem waren sie mit Speeren und Bogen bewaffnet. Sano war überzeugt, dass kein Barbar die Insel ohne Hilfe eines Japaners verlassen konnte; ebenso wenig war es möglich, sich auf der schwer bewachten Insel unbemerkt einer Leiche zu entledigen. Lag es da nicht auf der Hand, dass die Männer, die auf Deshima für die Sicherheit zuständig waren, als Hauptverdächtige gelten mussten?
    Sano stellte sich der Wachmannschaft vor, die soeben eingetroffen war. Dann befahl er: »Nehmt in Doppelreihe Aufstellung. Nennt mir eure Namen. Und dann sagt mir jeder von euch, wo genau auf der Insel er seinen Posten hat. – Wer ist Euer Befehlshaber?«
    Ein hoch gewachsener, dünner Mann mit hagerem Gesicht trat vor. »Ich bin Hauptmann Nirin, Kommandeur der zweiten Wachmannschaft von Deshima«, sagte er, während seine Untergebenen sich zu je zwei Mann aufstellten; dann riefen die Männer einer jeden Zweiergruppe ihre Namen und nannten die Stelle auf Deshima, die sie gemeinsam mit ihrem Kameraden bewachten. An den mürrischen Mienen der Wachsoldaten konnte Sano erkennen, dass sie ihn als Eindringling betrachteten, der ihnen nichts als zusätzliche Arbeit brachte.
    »Hattet ihr alle in der Nacht Dienst, als Direktor Spaen verschwand?«
    »Jawohl, sôsakan-sama «, riefen die Männer im Chor.
    »Ich werde euch nun ein paar Fragen im Zusammenhang mit dem verschwundenen Barbaren stellen«, fuhr Sano fort, der bereits ahnte, welche Schwierigkeiten ihm die Sicherheitsvorkehrungen auf Deshima bereiten würden. Er wandte sich an die beiden Posten, die für die direkte Bewachung Jan Spaens zuständig gewesen waren, und fragte: »Habt ihr Direktor Spaen in der Nacht, als er ermordet wurde, noch einmal gesehen?«
    »Nein, sôsakan-sama «, sagte einer der beiden Posten.
    »Wir haben um Mitternacht das letzte Mal nach ihm geschaut und ihn dann eingeschlossen. Danach haben wir ihn nicht mehr gesehen und auch nicht mehr mit ihm gesprochen«, fügte sein Kamerad hinzu.
    Sano wandte sich an die beiden Zweiergruppen, die für die Bewachung deGraeffs und Dr. Huygens’ zuständig waren. »Und ihr? Habt ihr in der Nacht, als Spaen verschwand, die Barbaren gesehen, die ihr bewachen müsst – deGraeff und Huygens?«
    »Nein, sôsakan-sama «, antworteten die vier Posten.
    »Und was ist mit euch?«, fragte Sano die Männer, die auf Deshima Streife gingen. »Habt ihr Direktor Spaen in der Nacht seines Verschwindens zusammen mit einem seiner Landsleute gesehen? Oder einen Barbaren, der sich in der Nähe von Direktor Spaens Unterkunft aufgehalten hat?«
    »Nein, sôsakan-sama !«, riefen die Streifenposten im Chor.
    Sano wandte sich an die Offiziere im Wachhaus. »Erstatten eure Männer euch regelmäßig Bericht, wenn sie ihre Runden machen?«
    Die Offiziere nickten.
    »In der Nacht, als Direktor Spaen verschwand … hat eine der Wachen da den Eindruck gemacht, einen Kampf geführt zu haben? War Blut an der Kleidung oder den Waffen eines oder mehrerer Männer?«
    Die Offiziere verneinten, und Hauptmann Nirin fragte mit mühsam unterdrücktem Zorn: »Worauf wollt Ihr hinaus? Was wollt Ihr damit andeuten?«
    Sano beachtete ihn nicht. Stattdessen wandte er sich an die Torwächter. »Habt ihr in der Mordnacht jemanden durch das Schleusentor oder durchs Eingangstor auf die Insel gelassen?«
    Hauptmann Nirin stellte sich entschlossen zwischen Sano und seine Leute, wobei er seinen Bogen aufrecht hielt wie einen Speer. »Wir haben nichts mit dem Mord zu tun. Wir hatten keinen Grund, Direktor Spaen zu töten oder den anderen Barbaren auf irgendeine Weise zu helfen.« Zorniges, zustimmendes Murmeln erklang aus den Reihen der Wächter.
    Die Hand am Schwertgriff, starrte Sano den Befehlshaber der Wachmannschaft so durchdringend an, dass dieser schließlich den Blick senkte. »In der Nacht, als Direktor Spaen verschwand, gab es ein Unwetter«, sagte Sano dann. »Haben Eure Männer tatsächlich den üblichen Dienst versehen, oder haben sie in den Wachhäusern gesessen, um nicht nass zu werden?«
    »Wollt Ihr uns beschuldigen, unsere Pflicht vernachlässigt zu haben?«, rief Hauptmann Nirin und spuckte auf den

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