Die Spur des Verraeters
stellt Männer bereit, die sie jederzeit entzünden können, um Truppenverstärkungen aus anderen Provinzen herbeizurufen.«
Und yoriki Ota hatte vom Statthalter den Befehl erhalten: »Verdoppelt die Anzahl der Polizisten auf den Straßen, falls es zu Unruhen kommt, wenn die Bürger von der Bedrohung durch die Barbaren erfahren.«
Dann wandte Statthalter Nagai sich an den Waffenmeister. »Wie sieht es mit Waffen und Munitionsvorräten aus?«, erkundigte er sich. Als er hörte, wie viele Kanonen, Arkebusen, Pulver und Kugeln zur Verfügung standen, sagte er: »Ich hoffe, das genügt. Lasst umgehend Vorräte und Proviant auf die Kriegsschiffe und in die Befestigungsanlagen am Hafen bringen.«
Schließlich gab er die Befehle der Magistraten Nagasakis heraus, was eine mögliche Evakuierung von Zivilisten betraf, und verkündete grimmig: »Wir erhalten den Alarmzustand aufrecht, bis sôsakan Sano den Forderungen der Holländer entsprochen hat.«
Alle Versammelten warfen Sano, der ein Stück abseits saß, missbilligende Blicke zu. »Ich glaube, dass ich den Mörder in den nächsten zwei Tagen überführen kann«, erklärte Sano und versuchte, Zuversicht in seine Stimme zu legen. Falls es ihm nicht gelang, sich unter den Beamten Nagasakis wieder Achtung zu verschaffen, würden seine Ermittlungen darunter leiden. Ein Fehlschlag würde das Ende seiner Karriere bedeuten – und den Untergang der Stadt. Mit knappen Worten fasste Sano zusammen, was er in den Gesprächen mit Pfingstrose, Urabe und Abt Liu Yun erfahren hatte.
Statthalter Nagai runzelte die Stirn. »Seid Ihr sicher, dass ein japanischer Bürger oder ein Chinese den Mord begangen hat?«
»Nur die genannten vier Personen hatten ein Motiv und die Gelegenheit zum Mord. Außerdem hatten sie viel leichter Zugang zu Waffen als die anderen Verdächtigen«, erwiderte Sano.
Die Versammelten wechselten Blicke, und die Atmosphäre im Zimmer veränderte sich. Sano hatte leichtes Kopfweh und spürte einen Druck in den Ohren, als würde eine Gewitterfront herannahen.
»Nun, ja, gut«, sagte Statthalter Nagai. »Ich glaube, Ihr habt es ein bisschen zu eilig, unseren Landsleuten den Mord an Direktor Spaen nachzuweisen. Ihr solltet die Barbaren auf Deshima nicht außer Acht lassen; andernfalls könnte es sein, dass die Konsequenzen sehr viel bitterer für Euch sind als bloß eine Pfeilwunde.«
Sano hatte die Wunde noch gar nicht erwähnt. »Wer hat Euch vom Angriff des Bogenschützen berichtet?«, fragte er.
Nagai lächelte knapp. »Ich habe meine Quellen.«
Entweder arbeitete Nagasakis Netzwerk aus Spitzeln und Spionen sehr wirkungsvoll, oder Statthalter Nagai hatte andere Möglichkeiten, in den Besitz von Informationen zu gelangen. »Ich habe Deshima durchaus nicht übersehen«, sagte Sano, wobei er den Namen der Insel betonte, um Nagai verstehen zu geben, dass er seine Bemerkung nicht allein auf die Holländer bezog. »Der Angriff des Bogenschützen lässt darauf schließen, dass auf der Insel irgendetwas nicht stimmt … irgendetwas, dass ich nicht herausfinden soll. Und irgendjemand setzt alles daran, dass ich es nicht herausfinde.«
Als Sano davon berichtete, wie er die Lichterscheinungen verfolgt hatte, hüllten sämtliche Anwesenden sich in angespanntes Schweigen. Schließlich sagte yoriki Ota: »Ihr seid angeschossen worden, als Ihr Geister gejagt habt?« Er lachte. »Wahrscheinlich habt Ihr einem Betrunkenen einen Schreck eingejagt, der Euch für einen Geist hielt und deshalb auf Euch geschossen hat.«
Yoriki Otas Lachen klang gekünstelt; dennoch fielen die anderen Anwesenden ein. »Glaubt doch, was Ihr wollt«, sagte Sano mit kalter Stimme. »Ich jedenfalls werde die Wahrheit über Deshima herausfinden und Jan Spaens Mörder finden. Und an eurer Stelle würde ich darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, mir dabei zu helfen.«
»Aber gewiss, sôsakan-sama «, sagte Statthalter Nagai beschwichtigend. »Wir müssen zusammenarbeiten, schon um die Stadt zu. retten..«
»Freut mich, dass wir mal einer Meinung sind«, erwiderte Sano ironisch. Er fragte sich, ob die führenden Beamten in Nagasaki tatsächlich wollten, dass Jan Spaens Mörder gefasst wurde, oder ob sie irgendeinen Grund dafür hatten, seine Ermittlungen zu behindern, wie und wo sie nur konnten. Hatten sie sogar den Anschlag auf sein Leben befohlen? Und wenn, warum? Steckte Kammerherr Yanagisawa dahinter?
Sanos Hoffnungen richteten sich nun vor allem auf das Kreuz, das man an Spaens Leiche
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