Die Spur fuehrt nach Tahiti
antwortete er überrascht. Die Frage konnte immerhin bedeuten, daß der lange und knochige Gentleman aus irgendeinem Grund mißtrauisch geworden war. Krumpeter war in Sekundenschnelle hellwach. Doch gleich darauf zeigte es sich, daß seine Befürchtung grundlos und der Baron völlig arglos war.
„Sie haben da einen gewaltigen Schritt gemacht“, fuhr der Baron teilnahmsvoll fort, „einen Schritt, der Ihr Leben total auf den Kopf stellt. Sie wollen ,aussteigen’ , oder wie immer man dazu sagt —“
„Mag sein, ich mache mir ganz falsche Vorstellungen“, gab Krumpeter zu. Aber ich will es jedenfalls mal probieren -“
Als ihn die beiden, der Kapitän und der Baron, irgendwann am Nachmittag gefragt hatten, weshalb er denn hierher käme, war ihm als Antwort lediglich eingefallen, daß es ihm ganz einfach nicht möglich sei, so wie bisher weiterzumachen, und daß er von allem die Schnauze voll habe.
„Jedenfalls brauch’ ich einen kompletten Tapetenwechsel“, meinte Krumpeter schlicht und dachte insgeheim, daß dies tatsächlich die pure Wahrheit war.
„Ich verstehe Sie gut.“ Der Baron zog nachdenklich an seiner Pfeife. „Sie wollen nichts wie weg von dem großen Haufen, der sich andauernd schubst und betrügt und zum Geld drängt wie der Büffel zum Wasserloch.“ Darauf gab es für Ekke Krumpeter nichts zu antworten.
„Aber natürlich ist Fakarava auch nicht das reine Paradies“, schränkte der Baron ein. „So was gibt es gar nicht, jedenfalls nicht auf dieser Welt. Vieles wird Ihnen auf der Insel primitiv vorkommen, Sie werden es vielleicht nicht so bequem haben wie bisher, und Sie werden sich einschränken müssen.“ Der Baron lehnte sich neben Krumpeter auf die Reling, und beide blickten in den weißen Schaum von der Bugwelle und auf die Schiffslichter, die sich im Wasser spiegelten.
„Wo oder wie wohnt man als Fremder auf Fakarava?“ fragte Krumpeter nach einer Weile.
„Gewöhnlich übernachten die Besucher auf ihren Schiffen, und Touristen gibt es eigentlich nicht. Kommen welche, dann mit den großen Passagierschiffen. Sie schauen sich um, knipsen ihre Fotos und machen sich wieder davon, bevor es dunkel wird. Für einen längeren Aufenthalt ist die Insel nicht eingerichtet.“
„Soll das heißen, es gibt überhaupt kein Hotel?“
„Doch, aber nur ein einziges“, sagte der Baron. „Das ,Trois fleurs’ mitten im Dorf.“
„Drei Blumen“, wiederholte Krumpeter. „Ein Name, der die Phantasie beflügelt –“
„Warten Sie’s ab, und vergessen Sie nicht, daß Fakarava eine kleine Insel ist mit nicht viel mehr als fünfhundert Einwohnern“, entgegnete der Baron mit einem kleinen Lächeln. „Sie dürfen kein Hilton Hotel erwarten. Aber lassen Sie sich überraschen
„Und ein anderes Hotel gibt es wirklich nicht?“
„Doch, das Polizeigefängnis — “, antwortete der Baron und grinste wieder.
Krumpeter wurde bleich im Gesicht, und gleichzeitig schoß ihm das Blut in die Ohren. Irgendwo in seinem Hinterkopf piepste es und alarmierte ihn bis in die Fingerspitzen. Ein Glück, daß es dunkel war, so daß der Baron weder die Blässe in seinem Gesicht noch die tomatenroten Ohren sehen konnte.
„Sie machen Witze“, er schluckte. Dabei überlegte er blitzschnell, ob der Baron nicht doch schon etwas über ihn wissen konnte.
„Kein Witz, es stimmt“, erklärte der alte Mann im Rohseidenanzug. Er paffte wieder Pfeifenrauchwölkchen vor sich hin. „Das Polizeigefängnis auf Fakarava ist im gleichen Haus wie der Distriktbeamte und die Polizeiwache. Fünf Zellen mit fließendem Wasser, Toiletten und einer Pritsche. Allerdings mit vergitterten Fenstern. Aber weil es niemanden zum Einsperren gibt, stehen die Zellen schon seit Jahren leer, was ein Luxus ist, den sich die Insel nicht leisten will, Sie können also dort einziehen, wenn Ihnen das ,Trois fleurs’ zu teuer ist. Der Distriktbeamte ist übrigens längst wieder nach Papeete zurück, und die Polizeiwache hat keine Polizisten mehr, da die Einwohner auf sich selbst aufpassen. Die Zellen sind recht preiswert, und eine Frau aus der Nachbarschaft sorgt für Sauberkeit.“
„Besten Dank“, sagte Krumpeter, der immer noch nicht sicher war, ob der Baron ihm auf den Zahn fühlen oder ihn nur auf den Arm nehmen wollte. „Ich glaube, daß ich mir das ,Trois fleurs’ leisten kann. Vorerst jedenfalls.“
Zur gleichen Stunde und am gleichen Tag saß sein Kumpel namens Manfred Zasche, von seinen Freunden ganz einfach Manni genannt,
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