Die Spur fuehrt nach Tahiti
Wolf-Dieter und war ein cleverer und ausgeschlafener Typ.
„Entschuldige, wenn ich dir bei meinem letzten Besuch im Knast diese Kneipe als Treffpunkt nach deiner Entlassung vorgeschlagen habe“, flüsterte Paule Schulz, nachdem sie sich gesetzt hatten. „Aber ich konnte mir natürlich an der Nase abklavieren, daß dich die Knilche von der Presse abfangen würden, und bei meiner jetzigen Stellung kann ich es mir einfach nicht erlauben, zusammen mit dir auf einem Foto in der Zeitung abgedruckt zu werden. Entschuldige, wie gesagt.“
„Und die Polente kratzt dich nicht?“ fragte Zasche belustigt. „Du kannst Gift drauf nehmen, daß einer von ihnen hier drin hinter einer Zeitung sitzt und uns bespitzelt, oder draußen steht einer auf der Straße herum. Macht’s dir nicht aus, wenn sie uns miteinander sehen?“
„Ich darf doch wohl noch einen alten Freund begrüßen, wenn er nicht mehr aus dem Verkehr gezogen ist“, stellte Paule fest. „Das wäre ja gelacht. Du hast deine Strafe abgesessen, und ich bin inzwischen ein harmloser und unbescholtener Bürger dieser Stadt.“
„Dank deines Blinddarms“, frotzelte Manni Zasche. „Und dank deiner Aussage beim Prozeß“, fistelte Paule.
„Das werd’ ich dir nie vergessen, einfach gigantisch.“ Er war bereits wieder kurz davor, nasse Augen zu bekommen. Übrigens war „gigantisch“ sein Lieblingswort. „Schwamm drüber.“
„Von wegen, da kennst du deinen Paule Schulz aber schlecht. Nie vergessen werd’ ich dir das.“ Er rückte näher heran. „Das kann ich dir beweisen, und zwar auf der Stelle, wenn du es willst —“
„Zwei Bier vom Faß“, sagte in diesem Augenblick die Stimme des Knaben mit dem bunten Hemd und den Jeans. „Zum Wohl, meine Herren.“
„Du bist ein Engel, mein Freund“, strahlte Manfred Zasche. „Wenn du eine Ahnung hättest Er holte tief Luft und betrachtete die Gläser eine ganze Weile lang, so wie Kinder einen Weihnachtsbaum begucken, wenn nach einem Jahr Pause seine Kerzen wieder angezündet werden. Er prostete schließlich seinem Freund Paule zu, und dann leerten beide ihre Gläser in einem einzigen langen Zug.
„Mannometer, wie das zischt.“
„Ich sehe, es schmeckt Ihnen“, bemerkte Wolf-Dieter höflich.
„Und ob es schmeckt“, grinste Manfred Zasche. Er wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. „Aber für einen Kellner bist du doch viel zu jung?“
„Das Lokal gehört meinen Eltern, und ich mache heute nur Aushilfe, weil unser Ober mit Grippe im Bett liegt“, erwiderte der Junge. „Ich heiße Wolf-Dieter Konopka, wenn ich mich vorstellen darf.“
„Natürlich darfst du das“, lachte Manfred Zasche. „Aber jetzt hätten wir gern gleich zwei neue Bierchen, Herr Konopka junior, und dann die Speisekarte. Hoffentlich gibt’s bei euch Eisbein mit Sauerkraut?“ Er drehte sich nach Paule Schulz um. „Magst du doch auch, oder?“
„Und ob“, bemerkte das dünne Handtuch mit den dicken Brillengläsern. „Eisbein immer!“
„Sie haben Glück, das ist sogar unsere Spezialität“, meinte der Junge, dessen Ohren ein klein wenig abstanden. Aber er hatte sein Haar so geschickt gekämmt, daß es gar nicht weiter auffiel.
„Dann kannst du dir die Speisekarte schenken, mein Sohn“, sagte Zasche. „Zwei Eisbein sind also hiermit gebongt, und laß die Biere nicht in Vergessenheit geraten!“
„Ich fliege bereits“, bemerkte Wolf-Dieter.
„Du hast vorhin etwas gesagt, da stolpere ich erst jetzt drüber“, meinte Manfred Zasche wie aus heiterem Himmel. „Daß du nicht gerade wild drauf bist, mit mir zusammen für die Zeitung fotografiert zu werden, und mich deshalb nicht am Gefängnis abgeholt hast, das versteh’ ich, und das ist ja auch ganz vernünftig so. Aber du hast da was von einer ,Stellung’ gefaselt, die dir das nicht erlaubt. Was für eine Stellung ist denn das? Davon hast du mir bei deinen Besuchen im Knast keine Silbe gehustet. Wenn ich dich fragte, wie es dir so geht, hast du nie mehr gesagt, als daß du dich eben so durchschlängelst.“
„Man kann sich recht und schlecht durchschlagen“, antwortete Paule Schulz behutsam, „aber auch gut oder sogar sehr gut. Seit einiger Zeit darf ich mich zur dritten Kategorie zählen.“
„Dunnerlittchen, das mußt du mir erklären, alter Fuchs.“
Und Paul Schulz erklärte, was in der Zwischenzeit mit ihm passiert war. Nach dem damaligen Prozeß und seinem Freispruch hatte er tatsächlich ein ganzes Jahr lang von der Hand in den
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