Die Staatskanzlei - Kriminalroman
die unsägliche Kriminalbeamtin, die zwar ansehnlich aussehe, aber nichts zustande bringe, auf der Stelle als Ermittlungsleiterin abzusetzen.
Als Wagner eines Abends von etlichen zermürbenden Besprechungen erschöpft nach Hause kam, fiel ihm ein dunkler Golf auf. Das Auto parkte unweit seiner Wohnung. Trotz der Dunkelheit konnte er erkennen, dass jemand hinterm Steuer saß. Er fand das merkwürdig. Hatte der Innenminister nicht neulich einen Golf erwähnt, der vor den Morden gesehen worden war? Vorsichtig näherte er sich dem Auto. Die Dunkelheit schützte den Fahrer. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, ans Autofenster zu klopfen. Im letzten Moment besann er sich anders. Vielleicht sollte er besser Kriminalrätin Hauser anrufen.
Schon als er die Treppe zu seiner Wohnung hinaufstieg, sagte er sich, dass es vermutlich eine harmlose Erklärung gab und er Hirngespinste sah. Jemand hatte sich mit einem seiner Nachbarn verabredet und wartete auf ihn. Du bist auf dem besten Weg, paranoid zu werden, schalt er sich, als er seine Wohnungstür hinter sich verriegelte. Er kannte zwar den ein oder anderen, der ihn nicht mochte, ein Mörder war aber ganz bestimmt nicht darunter.
Er schlief schlecht in dieser Nacht, wurde von Albträumen geplagt und war hundemüde, als er am nächsten Morgen seinen Dienst antrat. Er kam nicht einmal dazu, den doppelt starken Kaffee zu trinken, den seine Sekretärin ihm jeden Morgen ungefragt servierte. Ein Telefonat von Frau Hauser kam dazwischen. Sie bestellte ihn in den Roten Salon. Auch die Kriminalbeamtin sah übermüdet aus.
Ob er von einer Mitarbeiterin der Staatskanzlei wisse, die an Schizophrenie erkrankt sei, wollte sie wissen. Sofort ging ihm Gesine Terberg durch den Kopf. Dass sie einen Riesenberg unbewältigter Konflikte mit sich herumschleppte, war nicht zu übersehen. Auch Britta König, die unterkühlte Karrierebeamtin, war ihm nicht geheuer. Die Dauerfehde mit Heise hatte zuletzt schizophrene Züge angenommen. Er behielt seine Eindrücke für sich und verwies die Polizeibeamtin an die Personalabteilung. Seine Kolleginnen anzuschwärzen, würde neue Probleme schaffen. Ärger hatte er auch so mehr als genug.
Der späte Vormittag brachte eine angenehme Besucherin. Sybille Becker erschien in Wagners Büro. Sie wollte Dampf ablassen. „Der Ministerpräsident wird von Tag zu Tag ungenießbarer. Gestern hat Albi ihn unangemeldet besucht. Seither läuft er herum wie ein Tiger im Käfig. Jeder, der in seine Nähe kommt, wird grundlos angeblafft. Keine Ahnung, worum es in dem Gespräch gegangen ist, es muss ihn jedenfalls mächtig auf die Palme gebracht haben und ich muss es ausbaden“, beklagte sie sich.
Dann kam Sybille auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zu sprechen. Ein Angebot aus der Wirtschaft, der Vorstandsvorsitzende der TAWES AG in Hannover hatte ihr die Leitung des Vorstandsbüros angeboten. „Das Gehalt ist höher und die Luft weniger bleihaltig als in der Staatskanzlei“, meinte sie. Ihre Entscheidung stand fest. Wagner versuchte gar nicht erst, sie umzustimmen, obwohl er es gerne getan hätte. Er verlor seine Lieblingskollegin, aber er konnte es ihr nicht verdenken.
Gegen Mittag rief sein Freund Hollmann an. Dem Journalisten war zu Ohren gekommen, dass die Polizei inzwischen von einer Verrückten als Täterin ausging. Jetzt machte er sich Sorgen um seinen Freund. „Kein Mensch weiß, ob die Morde nicht weitergehen. Pack deine Koffer und setz dich in den Flieger. Flieg nach Bali oder nach Südafrika, je weiter weg, desto besser. Hauptsache irgendwohin, wo die Verrückte dich nicht erwischen kann.“
„Ich kann den Chef jetzt nicht im Stich lassen. Und wer sagt dir, dass die Polizei recht hat? Sie hat sich schon einmal geirrt und die Falsche festgenommen“, wiegelte Wagner ab. Nichts wäre schöner, als Hollmanns Ratschlag anzunehmen und der Staatskanzlei und den Mordfällen für eine Weile zu entfliehen, dachte er, als er den Hörer auflegte.
60
Verenas Blick wanderte nach draußen. Der blaue Himmel hatte nur ein kurzes Intermezzo gegeben. Das für Norddeutschland im beginnenden Winter typische trübgraue Wetter war zurückgekehrt. Ihr gegenüber saß eine missmutige Gesine Terberg. Zu der schlechten Laune der Frau mochte deren Erkältung beitragen. Ihre Augen tränten und die Nase war vom vielen Putzen entzündet.
Bislang war das Gespräch dahingeplätschert, jetzt gewann es an Fahrt. Aus entzündeten Augen blitzte sie Verena an. „Was sollen
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