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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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seiner liebsten Kollegin. Der Wechsel von Sybille Becker zur TAWES AG war beschlossene Sache. Zur allgemeinen Überraschung hatte der Ministerpräsident die Nachricht mit erstaunlichem Gleichmut aufgenommen. Seine Leidensgrenze war in den letzten Wochen gestiegen, früher hätte er anders reagiert. Ihn wegen eines anderen Jobs zu verlassen, war Majestätsbeleidigung, die harsche Kritik nach sich zog.
    Es war nicht zu übersehen, seine Kollegin hatte geweint. Ihre Wimperntusche war verwischt, die Augen gerötet. „Was ist denn los, Sybille, ist schon wieder etwas Schlimmes passiert?“ Bloß keine neue Hiobsbotschaft, betete er im Stillen.
    Statt einer Antwort kam nur lautstarkes Schluchzen heraus, dazwischen einige unverständliche Laute. „Kann ich helfen?“, fasste er nach. Erneutes Schniefen war die Reaktion, dann putzte sie sich die Nase. „Nee, mir kann niemand helfen.“
    War der vorgesehene Jobwechsel schiefgegangen oder war etwas mit ihrem Vater? Hatte der nicht kürzlich einen Herzinfarkt erlitten? „Sag doch, was los ist, dann können wir immer noch sehen, ob ich nicht doch etwas tun kann“, ermunterte er sie. Ein neuer Weinkrampf war die Folge. Wagner fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Weinende Frauen irritierten ihn. Nie wusste man, wie damit umzugehen war. Tröstende Worte wurden nicht selten als Belästigung empfunden. Ignorierte man hingegen die Tränen, wurde man der Kaltherzigkeit bezichtigt. Er wollte sich gerade mit einer Ausrede verdrücken, als sie doch eine Erklärung zum Besten gab.
    „Es geht um Jakob“, brachte sie schluchzend hervor. „Es ist aus zwischen uns.“
    Das war die mit Abstand beste Nachricht der letzten Wochen, befand Wagner im Stillen. Beim Anblick des unglücklichen Gesichts seiner Kollegin schämte er sich.
    „Tut mir leid für dich“, log er. „Eine Trennung ist immer schmerzhaft, da kann ich aus eigener Erfahrung mitreden. Aber glaub mir, in einigen Wochen sieht die Welt wieder anders aus.“
    Ihr Gesichtsausdruck signalisierte, dass er nicht die richtigen Worte gefunden hatte. Er setzte nach: „Eine Frau deines Formats hat es nicht nötig, einem Kerl wie Jakob nachzuweinen. Du kannst ganz andere Männer haben.“ Zum Beispiel mich, fügte er in Gedanken hinzu.
    Wieder lag er daneben. Ihr Schluchzen wurde heftiger. Aus verheulten Augen sah sie ihn empört an. „Wir Frauen sind anders gestrickt als ihr Männer, wir gehen nicht einfach zur Tagesordnung über und suchen uns einen Neuen. Außer man ist wie die König, die ständig wechselnde Lover hat. Und alle könnten ihre Söhne sein.“
    Wagner fragte sich, woher sie das wusste. Er hatte erst kürzlich aus Journalistenkreisen von der Vorliebe der unterkühlten Kollegin für junge Männer erfahren. Sorgfältig wog er die folgenden Worte ab. „Manchmal passiert es, dass man sich in den Falschen verliebt. Ich habe nie gefunden, dass Jakob zu dir passt. In meinen Augen ist er ein Langweiler, er …“
    Schon wieder lag er voll daneben. „Hör schon auf“, fuhr sie ihm über den Mund. „Jakob ist eben kein Aufschneider, niemand, der sich in den Vordergrund spielt. Seine Qualitäten liegen im Verborgenen.“
    Jetzt verteidigt sie ihn auch noch, ärgerte sich Wagner. Und überhaupt, wollte sie etwa andeuten, dass er ein Aufschneider war? Ein Mann ohne innere Werte? Er drehte sich um. „Dann will ich mal wieder.“
    Zu seiner Überraschung hielt sie ihn auf. „Hast du auch schon gehört? In der Mordsache soll es neue Verdachtsmomente geben. Der Innenminister war gerade beim Chef.“
    Der Kummer aus ihren Augen war verschwunden. „Die Mörderin soll eine Verrückte sein.“
    Daher wehte also der Wind, deshalb die merkwürdigen Fragen der Kriminalbeamtin.
    „Der Chef selbst hält das für ausgemachten Unfug. Er geht nach wie vor davon aus, dass es um Politik geht. Jemand, der der Regierung schaden will.“
    Wagner setzte sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. „Wenn du mich fragst, der Ministerpräsident ist auf dem Holzweg. Wenn es tatsächlich um Politik ginge, gäbe es längst ein Bekennerschreiben.“
    Seine Kollegin, die sich jetzt wieder vollends gefasst hatte, nickte. Zumindest für den Moment schien sie den unsäglichen Jakob aus ihrem hübschen Kopf vertrieben zu haben. „Obwohl ich der Vorstellung, dass eine Verrückte durch die Gegend läuft und Beamte der Staatskanzlei abknallt, auch nichts abgewinnen kann“, sagte er.
    „Falls es stimmt, können wir nur hoffen, dass die Polizei sie bald

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