Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Sie wollten das so.“
„Ja und? Habe ich mir eben anders überlegt. Diese Presseheinis schreiben doch auch heute so und morgen ganz anders. Also machen Sie dem Kerl klar, dass ich Freitag bei ihm auf der Matte stehe.“
Das Telefon klingelte. „Was ist?“, brüllte der Chef in den Telefonhörer. „Ja, ja, ich habe den Termin nicht vergessen. Komme gleich, der Fahrer soll schon vorfahren.“
An seinen Mitarbeiter gewandt, sagte er: „Also, das hätten wir. Um Milner kümmert sich Frau König und Sie kümmern sich um das andere. Wenn ich in einer Stunde zurück bin, will ich nur positive Ergebnisse hören. Kommen Sie mir ja nicht mit schlechten Nachrichten.“
Hinter dem Ministerpräsidenten herlaufend fragte Wagner: „Was ist mit Konsul von Holzhausen, soll ich dem absagen?“
„Den lassen wir schmoren. Dieser arroganten Münchener Bagage kann ich ohnehin nicht aufs Fell gucken. Und den Parteivorsitzenden lassen wir auch im Ungewissen. Albi ist in letzter Zeit ganz schön aufmüpfig. Höchste Zeit ihm zu zeigen, wer Herr im Ring ist.“
58
Stollmanns Büro war verwaist. Niemand wusste, wo er war. Vor einer Stunde hatte er sein Büro geradezu fluchtartig verlassen. Gründe hatte er keine genannt. Verena war enttäuscht. Sie hätte ihn jetzt gebraucht. Frau Schramm ließ eine süffisante Bemerkung über die Dienstzeitverordnung fallen, die für alle im LKA gelte, bis auf Kriminalrat Stollmann.
Verena studierte zum wiederholten Mal die Vernehmungsprotokolle. Ihr besonderes Interesse galt Britta König und Gesine Terberg. Bertram hatte sie über Auffälligkeiten in Mimik und Gestik von Schizophreniekranken informiert. Britta König war zwar sozial isoliert, hatte aber keine Auffälligkeiten in Mimik und Bewegungen erkennen lassen. Andererseits passte es zu Bertrams Profil, dass ihr Mann die meiste Zeit irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs war und sie bis auf ihren Lover keine Freunde hatte. Der unbekannte Liebhaber war womöglich nur eine Erfindung. Und dennoch war es für die Polizeibeamtin kaum vorstellbar, dass diese Frau schizophren sein sollte.
Auch Gesine Terberg lebte allein. Und was ihre angebliche Zuneigung zu ihrem früheren Chef betraf, konnte es sich auch um eine Farce handeln. Im Geist ging sie noch einmal die Vernehmungen mit ihr durch, erinnerte sich an Zuckungen im Gesicht der Angestellten, auch ihren Groll. Hatte sie nicht von Anfang an das Gefühl gehabt, dass mit der Frau etwas nicht stimmte? Durchaus möglich, dass sie schizophren war.
Sie bat Petra Schramm erneut zu sich. „Ich möchte alles, ich betone ALLES, über das Privatleben von Frau Terberg wissen: private Vorlieben, Freunde, Verwandte, Freizeitbeschäftigungen und Krankheiten. Vor allem Krankheiten interessieren mich, auch zurückliegende.“
Große, mit blauem Lidschatten geschminkte Augen starrten sie an. „Haben Sie neue Erkenntnisse?“
Verenas Antwort fiel knapp aus. „Ja.“
„Hängen die Erkenntnisse mit dem Täterprofil zusammen, gibt es Hinweise, dass …“
Verena fiel ihr ins Wort. „Ich werde heute Nachmittag die Mitarbeiter der Soko eingehend informieren. Es wäre hilfreich, wenn du bis dahin möglichst viel über die Dame herausfindest.“
Während ihre Mitarbeiterin eingeschnappt auf hochhackigen Schuhen davonrauschte, nahm sich Verena den Bericht des Profilers vor. Was er schrieb, war überzeugend. Beim Versuch, den Bericht zu scannen und abzuspeichern, stürzte ihr Computer ab. Er machte schon den ganzen Tag Sperenzien. Selbst der Computer ließ sie im Stich.
Als es an ihrer Bürotür klopfte, hoffte sie auf Stollmann. Genauso unversehens wie er verschwand, erschien er meist auch wieder. Im Türrahmen stand der Direktor. Das blaue Sakko hatte die Farbe seiner Augen. Ihr Atem stockte, er sah großartig aus. Ich bin auf dem besten Weg, mich in ihn zu verlieben, gestand sie sich ein. Sie hoffte, dass ihre Gesichtsfarbe kein verräterisches Rot annahm. Er lächelte verhalten. „Dr. Bertram hat seine Arbeit abgeschlossen?“
Sie nickte. Der Blick, mit dem er sie musterte, stürzte sie in Verwirrung. Mit den Worten „Wollen Sie seinen Bericht lesen?“ überspielte sie ihre Aufregung. Er ignorierte die Blätter, nahm ihr gegenüber Platz. „Später vielleicht, Sie können mir eine Kopie machen. Informieren Sie mich mit Ihren Worten.“
Es half Verena, die Erkenntnisse des Fallanalytikers wiederzugeben. Das Durcheinander in ihrem Kopf löste sich allmählich auf, ihre Gedanken bekamen eine
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