Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Gifhorn in Niedersachsen übersiedelt. Die Hauptschule hatte er ohne Abschluss verlassen. Einen Tag nach seinem achtzehnten Geburtstag war er nach Hannover gezogen. Hier bestritt er als Türsteher in einer Diskothek im Steintorviertel seinen Lebensunterhalt. Sein Vorstrafenregister war lang, mehrfach hatte es Prügeleien gegeben, in denen er eine unrühmliche Rolle gespielt hatte. Bisher war Mahow jedoch jedes Mal auf gnädige Richter gestoßen und mit einer Verwarnung oder Bewährungsstrafe davongekommen.
Mahow war geständig, behauptete jedoch, dass Britta König unglücklich mit dem Hinterkopf auf die Kante des Wohnzimmertisches gefallen sein. Er habe sie nicht verletzen wollen.
„Ich habe ihr nur eine Ohrfeige gegeben und sie ist umgefallen. Es war ein Unfall. Ich habe sie doch geliebt“, erklärte er Verena unter Tränen. Was die Vernehmung ans Tageslicht brachte, überraschte die Polizeibeamtin.
Britta König hatte ein Verhältnis mit Gregor Mahow gehabt. Als sie mit ihm Schluss machen wollte, hatte er sich nicht damit abfinden wollen. Beim vergeblichen Versuch, sie umzustimmen, war es zum Streit gekommen. So wie es aussah, war die Beamtin Opfer eines eifersüchtigen Liebhabers geworden.
Auch wenn die Geschichte auf den ersten Blick überzeugend klang, Verena war sie nicht geheuer. Irgendetwas sagte ihr, dass Mahow nicht die Wahrheit sagte. Bestärkt wurde sie in ihrem Misstrauen, als ausgerechnet Strafverteidiger Janssen auftauchte, um die Verteidigung von Gregor Mahow zu übernehmen. Normalerweise befasste sich der Staranwalt nicht mit Kleinkriminellen. Der ungekrönte König des Steintorviertels, Mustafa Hosan, Betreiber auch jener Diskothek, bei der Mahow sich verdingt hatte, hatte ihn engagiert. Janssen verbot seinem Klienten jede weitere Aussage und zog sich zur Rücksprache mit ihm in den dafür vorgesehenen Besprechungsraum zurück. Zurück ließ er ratlose Kriminalbeamte. Verena ließ die Vernehmung Revue passieren.
„Ich kann es einfach nicht glauben, dass ausgerechnet die elitäre Ministerialbeamtin mit einem fast zwanzig Jahre jüngeren Türsteher ohne Schulabschluss ein Verhältnis hatte“, sagte sie zu Stollmann.
„Über politische Strategien haben sie bestimmt nicht gesprochen. Falls sie überhaupt miteinander gesprochen haben. Sein Deutsch lässt zu wünschen übrig“, stellte Stollmann süffisant fest. „Die Dame hat offenbar ein Doppelleben geführt. Tagsüber die unnahbare Ministerialbeamtin und abends Sex mit einem zwanzig Jahre jüngeren Kraftbolzen. Manch ältere Frau steht auf Frischfleisch.“
„Das erklärt, weshalb sie sich so standhaft geweigert hat, uns den Namen ihres Liebhabers zu nennen. Von wegen verheiratet. Sie wollte nicht zugeben, dass sie sich mit einem Mann aus der Unterschicht eingelassen hatte. Was wohl ihr Mann dazu sagen wird?“ Nachdenklich schaute Verena ihren Kollegen an.
„Was soll er schon sagen? Passiert ist passiert. Und die Dame hat teuer für ihr Abenteuer bezahlt. Ein gewalttätiger Mann wie dieser Mahow mag ja als Bettgefährte seine Qualitäten haben, lässt sich aber nicht einfach ausknipsen wie ein Lichtschalter. Ein Vibrator wäre eine kluge Entscheidung gewesen. Dann läge sie jetzt nicht auf der Intensivstation.“
Verena reagierte entrüstet. „Hör schon auf, Stolli. Bei euch Männern ist es gang und gäbe, dass ihr euch jüngere Freundinnen zulegt, wenn Frauen das tun, wird es zum Drama hochstilisiert.“
Dann seufzte sie. „Immerhin haben wir wenigstens den Täter. Den Direktor wird es freuen, den Minister auch. Bei der Aufklärung der Mordfälle Heise und Niemann bringt es uns allerdings kein Stück weiter.“
Stollmann holte eine ramponiert aussehende Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche, spielte damit herum. „Immerhin haben wir einen neuen Beweis, dass in der Staatskanzlei gelogen und vertuscht wird. Heise war korrupt und angeblich hat niemand etwas davon gewusst. Britta König hat ein Doppelleben geführt und uns munter belogen. Ich muss schon sagen, eine feine Gesellschaft ist das. Wie sagte der geschätzte Kollege Hirschmann: Die Elite des deutschen Beamtentums.“
„Übertreib nicht! Heise war korrupt, aber er ist einer von fast zweihundert Beamten, die dort arbeiten. Und das Sexleben von Frau König geht uns nichts an. Gerade du solltest Verständnis haben, deine Freundinnen könnten doch auch deine Töchter sein, oder irre ich mich?“
Stollmann war die Frage sichtlich unangenehm. Er fingerte erneut an der
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