Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Schachtel herum. „Hast du etwa wieder mit dem Rauchen angefangen? Hat der Arzt dir das nicht verboten?“
Verenas Frage wurde mit einem schiefen Lächeln quittiert. „Spielen wird man ja wohl noch dürfen. Was willst du jetzt unternehmen?“
Sie seufzte. „Mich intensiver um Gesine Terberg kümmern. Sie entspricht dem Täterprofil. Dass keine DNA gefunden wurde, schließt sie nicht aus. Und ihre arrogante Ärztin kann sich irren. Trotzdem denke ich manchmal, dass Dr. Bertram daneben liegt und es um etwas ganz anderes geht. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass jemand im Hintergrund die Fäden zieht und mit uns Jo-Jo spielt. Das Thema Auftragsmord ist für mich noch nicht abgefrühstückt. Baumgart auch nicht.“
Die Schachtel landete im hohen Bogen neben dem Papierkorb, der unter Verenas Schreibtisch stand. Sie bückte sich danach. „Du hast auch schon mal besser getroffen.“
„Sorry, soll nicht wieder vorkommen. Einer wie Baumgart lässt niemanden wegen solcher Beträge umlegen. Für uns sind zehntausend Euro viel Geld, für den ist das weniger als Fliegendreck. Was ist eigentlich mit heute Abend? Kommst du zur Weihnachtsfeier?“
Dann fasste er sich theatralisch an den Kopf. „Blöde Frage. Natürlich kommst du. Der Direktor wäre untröstlich. Seine liebste Dezernentin wird er nicht missen wollen. Ich will dann mal, man sieht sich.“
„Spinner“, rief sie ihrem Kollegen hinterher, der feixend verschwand.
Wieder allein wanderte ihr Blick aus dem Fenster, an dem in diesem Moment laut schnatternde Gänse vorbeiflogen. Sie kamen auf ihrem Weg zu den Marschteichen häufig hier vorbei. Ihre Gedanken schweiften ab. In drei Tagen war Heiligabend und sie hatte noch immer kein Geschenk für ihre Mutter. Dieses Jahr sollte es etwas Besonderes sein und nicht die übliche Wäsche nebst obligatem Parfüm. Auch wenn das Gehirn ihrer Mutter schrumpfte, körperlich war sie immer noch fit. Verena googelte im Internet und buchte einen Wochenendurlaub in einem Vier-Sterne-Hotel in Bad Harzburg für zwei Personen.
Nur widerwillig wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Auf ihrem Schreibtisch wartete eine Akte darauf gelesen zu werden. Den Bericht der Polizeidienststelle Laatzen schob sie seit Tagen vor sich her. Viel versprach sie sich nicht davon. Was sollte der Unfallbericht über das Straßenbahnunglück von Michael Schneider, ehemals Mitarbeiter der Staatskanzlei, an neuen Erkenntnissen in den Mordfällen bringen? Nur aus Pflichtgefühl würde sie ihn lesen, nicht mehr heute, sondern morgen.
Sie griff zum Telefonhöher und wählte eine Nummer. Am anderen Ende wurde nach dem ersten Läuten abgenommen. „Ich bin zu Hause, Sie können gerne vorbeikommen.“ Dann wollte die Mutter von Frau Terberg ihr den Weg beschreiben. Verena winkte dankend ab, sie kannte die Adresse.
69
Ein weiterer frustrierender Tag lag hinter Verena: Gespräche mit Frau Terbergs Mutter, dem Personalratsvorsitzenden der Staatskanzlei, der Frauenbeauftragten und Niemanns Sekretärin. Keines hatte ihr mehr Klarheit gebracht. Gegen vier Uhr nachmittags packte sie ihre Sachen. Vor der Weihnachtsfeier stand der überfällige Friseurtermin an. Jürgen Ritter war die Mühe wert. Das Mittagessen beim Italiener war vielversprechend verlaufen. Entgegen seiner Ankündigung hatte sich ihr Gespräch nur am Rande um Dienstliches bewegt. Nach dem Dessert war sie überzeugt gewesen, dass er sich für sie interessierte. Und heute Abend wollte sie da anknüpfen, wo sie das Mittagessen beendet hatten.
Als sie zwei Stunden später frisch frisiert und guter Dinge das Präsidium betrat, drang Lärm aus der Kantine im Erdgeschoss in den verwaisten Flur. Die Weihnachtsfeier war bereits im Gange. Niemand begegnete ihr auf dem Weg in ihr Büro. Ihr Versuch, die Tür zu verschließen, scheiterte. Der Schlüssel ließ sich nicht umdrehen. Sie musste riskieren, sich bei unverschlossener Tür umzuziehen. Nach einem Tag im Kofferraum fühlte sich das Kleid auf ihrem Körper klamm und feucht an. Auch die Pumps waren unangenehm kalt.
Das Hungern hatte sich gelohnt, das Kleid saß wie angegossen. Sie bewunderte im Spiegel ihre neue Frisur. Hoffentlich war die Mühe nicht vergebens und
er
war da. Beim Betreten der Kantine schlug ihr lautes Stimmengewirr entgegen. Sie entdeckte ihn unter all den Leuten auf den ersten Blick. Ritter war in ein Gespräch mit zwei Abteilungsleitern vertieft. Verena kämpfte sich durch dichtes Gedränge in seine Richtung vor. Beim Anblick
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