Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Tasse beiseite. „Ein hübsches Geschirr haben Sie.“ Erneutes Strahlen des Staatssekretärs war die Folge. Der Mann war leicht zu beglücken. Die Porzellanmanufaktur Fürstenstein wurde gelobt, auf die großzügige Förderung durch das Land hingewiesen.
Sie kehrte zum Grund ihres Besuchs zurück. „Ich möchte den Computer von Herrn Heise überprüfen, seine Datensätze und vor allem seine elektronische Post. Vielleicht wurde er ja doch bedroht und hat Ihnen nichts gesagt.“
Das Strahlen wurde ausgeknipst und die Gesichtszüge ihres Gegenübers nahmen einen missmutigen Ausdruck an. In dem Gesicht dieses Mannes konnte man lesen wie in einem offenen Buch.
„Also das geht gar nicht. Völlig undenkbar! Das sind alles streng vertrauliche Dokumente. Entscheidungen in brisanten politischen Fragen, interne Aktenvermerke, Kabinettsvorlagen.“
Der Ton macht die Musik, und der ärgerte Verena. „Wir ermitteln in einem Mordfall, Herr Haders. Außerdem bin ich Landesbeamtin, der Umgang mit vertraulichen Unterlagen ist nichts Neues für mich. Also veranlassen Sie bitte, dass ich Zugang zum Computer von Ministerialdirigent Heise bekomme. Jetzt gleich.“
Ein bitterböser Blick traf sie, dann erhob Haders sich widerwillig, ging an die Tür, riss sie auf und brüllte ins offenbar nicht mehr verwaiste Vorzimmer: „Rufen Sie Holzapfel an. Soll sofort kommen.“
An Verena gewandt erklärte er: „Das ist unser IuK-Beauftragter. Der wird sie begleiten. Hoffen wir, dass es ihm gelingt, Heises Password zu knacken, sonst müssen wir die Zentralstelle für das Computernetz des Landes einschalten. Unschön, sehr unschön.“ Erneutes Zupfen am Kinn. Irgendwann fängt es an, zu bluten, befürchtete Verena.
„Ein Mord ist immer unschön“, konterte sie. „Wenn ich mit dem Computer fertig bin, fange ich mit den Vernehmungen an. Dafür benötige ich eine Aufstellung der Beamten und Angestellten, mit denen Herr Heise besonders eng zusammengearbeitet hat.“
Der Staatssekretär erhob sich seufzend. „Haben meine Leute schon vorbereitet.“
Er ging zum Schreibtisch und nahm die dünne Mappe an sich. „Darin finden Sie alles, die meisten Kollegen dürften Sie antreffen. Einer der Referatsleiter ist allerdings längerfristig erkrankt. Der Leiter der Abteilung für Internationales übrigens auch.“
Verena nahm die Akte an sich. Gerne hätte sie noch einen Keks gegessen. Sie verkniff sich den Wunsch, ihre Kalorienbilanz war für heute bereits im roten Bereich.
Im Vorzimmer saß eine elegant gekleidete ältere Frau. Sie schaute von ihrem Computer hoch und grüßte freundlich. Haders verabschiedete sich von ihr. Die sympathische Sekretärin wurde aufgefordert, mit Kugelschreiber und Block nachzukommen. Sekunden später erschien ein übergewichtiger Beamter. Er wurde als Regierungsrat Holzapfel vorgestellt.
Während er neben Verena her den Flur entlang watschelte, fragte er sie aus. Ob die Polizei schon einen konkreten Verdacht habe, wollte er wissen. Verena gab sich zugeknöpft.
15
In Heises Vorzimmer erwartete sie eine Überraschung: Vor ihr stand eine Aspirantin für die Fernsehshow „Germany’s next Topmodel“. Endlos lange Beine, sehr schlank, halblange blonde Haare, eine Haut wie Porzellan, breiter Mund und große blaue Augen mit langen schwarzen Wimpern.
Holzapfel machte sie bekannt. „Frau Stigler, die Sekretärin von Herrn Ministerialdirigent Heise.“
Das Model musterte sie von oben herab und Verena kam sich hässlich und unförmig vor. Der einen Kopf kleinere Holzapfel schmachtete die Schöne an. Die ignorierte die bewundernden Blicke und schloss die Tür zu Heises Büro auf. Eigentlich dürfte sie dort niemanden hineinlassen, der Staatssekretär habe das verboten, sagte sie.
„Ich leite die Ermittlungen, ich darf alles.“ Normalerweise war Verena nicht patzig. So viel geballte Schönheit gepaart mit Überheblichkeit ließ ihre schlechten Seiten hervorkommen. Frau Stigler zog die Augenbrauen hoch. Mit den Worten „Ich geh dann mal zu Tisch. Sie kennen sich ja aus, Herr Holzapfel“ stolzierte sie davon.
Holzapfel kannte sich tatsächlich aus. Nicht einmal eine Minute und Heises Password war geknackt. Verena bedankte sich für seine Hilfe und wünschte ihm noch einen schönen Tag. Er wäre gerne geblieben, setzte ein enttäuschtes Gesicht auf.
In Heises Postfach warteten 32 E-Mails darauf, gelesen zu werden: Kurzberichte über den Bearbeitungsstand von Redeentwürfen für den Ministerpräsidenten,
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