Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Menschen, die ihm nützlich waren.“
Verena fragte sich, weshalb sie einen solchen Stinkstiefel überhaupt geheiratet hatte. Vermutlich übertrieb sie. Sie holte eine silberne Schachtel aus ihrer Handtasche, entnahm ihr eine Visitenkarte, die sie Frau Heise mit den Worten reichte: „Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich an. Auch wenn es Ihnen noch so unbedeutend vorkommt.“
Als sie gehen wollte, wurde sie von Frau Heise aufgehalten. Sie wollte noch eine Frage loswerden. „Die Polizei hat Alexanders Haus doch durchsucht, oder?“
Verena antwortete mit einer Gegenfrage. „Sie ist noch dabei, warum fragen Sie?“
Frau Heise zögerte. Dann gab sie sich einen Ruck. „Haben Ihre Leute ein Testament gefunden? Ich frage wegen Karla. Sie ist seine einzige Tochter. Und Alexander war ein vermögender Mann. Sie hat Anspruch auf ihren Pflichtteil.“
Verena beruhigte die Frau. „Meine Kollegen haben von einem Testament nichts gesagt. Was seine Freundin angeht, glaube ich nicht, dass sie etwas erbt. Die beiden haben sich vor Kurzem getrennt.“
Der Blick der Frau flackerte. „Sie haben sich getrennt? Das ist mir neu. Hat sie Alexander zu guter Letzt doch durchschaut? Wenn sie im Streit auseinandergegangen sind, hatte sie ein Motiv, oder?“
Verena verzichtete auf eine Antwort. Sie nahm sich vor, sich eingehend mit den Vermögensverhältnissen des Ermordeten zu befassen. Vielleicht lag dort der Schlüssel zu der Tat und es ging mal wieder nur ums Geld.
13
Heises Zugehfrau wohnte in einem ansehnlichen Mehrfamilienhaus aus Klinkerstein aus dem vorigen Jahrhundert in Hannover-Linden, einem Stadtteil mit engen Straßen und Altbaubestand, einem sehenswerten Marktplatz und einem Berg, der mit schattigen Bäumen und Wiesen der Naherholung diente. Viele der Gebäude aus Anfang des vorigen Jahrhunderts waren renoviert und boten mit rosa und gelben Farben ein buntes Bild. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Mieten war der Anteil an Studenten und Migranten überdurchschnittlich hoch. An den Klingelschildern machte Verena ausschließlich türkische Namen aus.
Die Frau, die sie an der Wohnungstür begrüßte, trug ein Kopftuch, das sie weit in die Stirn gezogen hatte und sie älter als Ende vierzig aussehen ließ. Sie führte Verena in ein gemütliches, mit Blümchentapete und hellen Möbeln ausgestattetes Wohnzimmer, in dem ein gleichaltriger Mann saß, der Tee trank. Sie stellte ihn im holprigen Deutsch als ihren Ehemann vor. Der gedrungene Mann musterte Verena neugierig, bevor er ihr zögernd einen Platz anbot. Er machte keine Anstalten, das Zimmer zu verlassen.
Seine Frau war wie jeden Mittwoch nach der Frühschicht in der Staatskanzlei mit dem Bus zu Heise gefahren, um die Hemden zu bügeln und sauber zu machen.
„Mir sofort aufgefallen ist, dass etwas nicht stimmen tut. Aktentasche auf Fußboden im Flur. Hat es noch nie gegeben. Hat immer im Arbeitszimmer neben Schreibtisch gestanden. Herr Heise war ordentlicher Mann, besonders in Arbeitszimmer. Habe ich nichts verändern dürfen. Er verboten hat. Nur saugen und im Regal Staub wischen, niemals an Schreibtisch gehen, er gesagt hat.“
Ihr Mann gab einen grunzenden Laut von sich. Nach einem unsicheren Blick auf ihn fuhr die Frau fort: „Tür vom Wohnzimmer stand auf und er auf Boden. Alles voll Blut. Furchtbar, ganz schlimm, habe 112 angerufen. Unser Chef gesagt, wenn was passiert, immer 112 anrufen. Manchmal Drohungen auf Straße. Wegen Kopftuch und so. Sagen Scheißtürken, haut ab. Kollegin von mir letzte Woche bedroht. Zwei junge Männer sie angeschrien, dass gehen soll, wo hergekommen.“
Seit zwei Jahren hielt sie Heises Haus sauber, hatte jedoch in all der Zeit kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Das Geld hatte er immer passend hingelegt und Weihnachten einen Fünfziger oben drauf.
Der Ehemann, der bis auf das Grunzen schweigend zugehört hatte, sagte etwas in türkischer Sprache zu seiner Frau. Seiner düsteren Miene nach zu urteilen, nichts Freundliches. Danach war es mit der Redseligkeit der Frau vorbei. Ihr Blick wanderte unsicher zwischen ihrem Mann und der Polizeibeamtin hin und her und sie gab sich einsilbig. Verena blieb nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden. Ihre Visitenkarte wurde achtlos auf den Wohnzimmertisch gelegt und würde vermutlich im Papierkorb landen.
Während sie zur Staatskanzlei fuhr, fasste sie noch einmal in Gedanken zusammen, was sie über Alexander Heise bisher herausgefunden hatte. Er war ein Einzelgänger,
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