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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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dass er mehr über Heise wusste als die anderen und mehr, als er sie wissen ließ?
    „Wissen Sie Näheres über den Streit mit Frau König? Es soll am Nachmittag vor Heises Tod eine heftige Auseinandersetzung gegeben haben.“
    Meyer lachte lauthals. „Hat einer der Kollegen sie angeschwärzt? Frau König ist nicht sonderlich beliebt. Aber es trifft zu. Die beiden haben sich so laut gezofft, dass alle auf der Etage es mitbekommen haben.“
    Worum es gegangen sei. „Um ihre drohende Versetzung an die Landesschulbehörde Lüneburg. Die Kollegin hat sich heftig dagegen gewährt. Sie klebt an ihrem Stuhl wie Kleister“, fuhr er fort. „Ich an ihrer Stelle hätte längst das Weite gesucht, wäre sogar in die Diaspora gegangen, selbst nach Lüneburg, meinethalben auch in die niedersächsische Strafkolonie für besonders schwere Fälle. Obwohl ich, ehrlich gesagt, Ostfriesland super finde. Ich mag Land und Leute, könnte mir gut vorstellen, dort zu leben. Wir verbringen unseren Sommerurlaub immer in der Nähe von Aurich. Wirklich schön dort und nicht so teuer wie die Inseln.“
    Er verstieg sich in einen peinlich genauen Bericht über seinen letzten Sommerurlaub, nannte empfehlenswerte Fischrestaurants und besonders abgeschiedene Küstenstrände. Dann geriet er ins Schwärmen über Wattwanderungen und Fahrradtouren entlang der Deiche. Die Reize der Ferienorte Esens, Jever und Dornum wurden hervorgehoben. Irgendwann wurde es Verena zu bunt. Sie brachte das Gespräch erneut auf Frau König. „Was glauben Sie: Könnte es sein, dass Ihre Kollegin mit dem Tod Heises zu tun hat?“
    Falls er über ihre unverblümte Frage überrascht war, ließ er sich nichts anmerken. Er schielte auf die mit bunten Pferdeköpfen bemalte Thermoskanne. „Kann ich einen Kaffee haben?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, schenkte er sich ein und lästerte über den bitteren Geschmack, den er als typisch für das geizige Hauptbüro ausmachte. Die Kollegen wurden als Pfennigfuchser bezeichnet. Dann kam er endlich zum Wesentlichen.
    „Nicht auszuschließen, dass sie die Nerven verloren hat. Obwohl ich natürlich keiner Kollegin etwas anhängen möchte. Das entspricht nicht meiner Art.“
    Er beförderte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und putzte sich umständlich die Nase. „Die Kollegin ist hart bis zur Rücksichtslosigkeit, gegen sich selbst und gegen andere. Und rechthaberisch. Immer will sie das letzte Wort haben. Das kommt nicht gut an.“
    Das hörte sich an, als ob er über Heise redete. Zwei wesensgleiche Persönlichkeiten waren aufeinandergeprallt. Aber Mord? Während sie Meyer zuhörte, der sich jetzt ebenso ausführlich wie über seine Ostfrieslandurlaube über seine Kollegin ausließ und dabei Attribute wie „unweiblich, nicht zugänglich und harsch“ ins Spiel brachte, fragte sich Verena, wie ihre männlichen Kollegen wohl über sie urteilten. Viel Schmeichelhaftes würde dabei vermutlich auch nicht herauskommen. Eigenschaften, die bei Männern gelobt wurden, wurden bei Frauen gerne auf dem Negativkonto verbucht. Aus dynamisch wurde hektisch, aus energisch zickig, aus selbstbewusst eingebildet.
    „Sie ist fachlich kompetent, aber es fehlt ihr an Führungsqualitäten“, hörte sie Meyer sagen. Abfällige Bemerkungen über die mangelnde Führungsqualität von Frauen bekam Verena seit zwanzig Jahren zu hören. Irgendwann hatte sie beschlossen, sich darüber nicht mehr zu ärgern. Sie schob eine Frage nach. „Hat Herr Heise Ihnen gegenüber erwähnt, dass er sich bedroht fühlt?“
    Ein überraschter Blick traf sie. „Der Abteilungsleiter bedroht? Nee, das hat er nie erwähnt. Ich kann es mir auch nicht vorstellen. Wer sollte ihn bedrohen und weshalb? Der Mann war das reinste Arbeitstier, sein Job war sein Leben.“
    Das Verhältnis Heises zum großen Chef sei gut gewesen, zum kleinen, dem in Wirklichkeit zwei Meter langen Staatssekretär, hingegen ein konfliktbeladenes Minenfeld. Heise hatte gegen Haders intrigiert. Das Ziel sei jedermann klar gewesen: die Leitung der Staatskanzlei. Die Chancen hatten zuletzt nicht schlecht gestanden. Der Staatssekretär sei kürzlich in Ungnade gefallen. Eine wichtige Rede des Ministerpräsidenten im Landtagsplenum, für die er verantwortlich zeichnete, sei voll „in die Grütze gegangen“. Sehr peinlich das Ganze. Die Opposition hätte gejohlt. Es sei eine Stimmung auf den Landtagsbänken gewesen wie sonst nur auf dem Schützenfest. Allerdings auf den Oppositionsbänken, die Abgeordneten

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