Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Magenknurren sie daran, dass in ihrem Eisschrank gähnende Leere herrschte.
Im Lebensmittelmarkt des Kaufhofs war es brechend voll. Während sie ihren Einkaufswagen an gehetzt wirkenden Kunden vorbei durch die viel zu engen Gänge zwischen voll bepackten Regalen schob, wünschte sie sich, sie könnte endlich einmal in Ruhe am Vormittag einkaufen. Ohne Gedränge und ohne Stress. Bis es so weit wäre, warteten noch mehr als zwanzig Berufsjahre auf sie. Mit Franz an ihrer Seite, hätte sie auf Teilzeit gehen können, jetzt brauchte sie das Geld.
Plötzlich stand er vor ihr. Gedankenübertragung. Sein gut gefüllter Einkaufswagen stand im Wege. Ausweichen war nicht möglich. Es war erst die zweite Begegnung seit ihrer Trennung. Selbst in einer Provinzhauptstadt wie Hannover musste man sich nicht über den Weg laufen, wenn man nicht wollte. Beim ersten Mal hatte sie ihn ignoriert, jetzt ging das nicht. Mit Genugtuung registrierte sie, dass Franz gealtert war und abgespannt aussah. Ihr strahlender Held hatte an Glanz verloren. Die Beziehung zu seiner fast zwanzig Jahre jüngeren Lebensgefährtin schien ihn anzustrengen. Die Schadenfreude tat gut.
Er schien peinlich berührt. Dann fasste er sich und erkundigte sich nach dem Ermittlungsstand. Der Mordfall hatte unter der hannoverschen Prominenz für Aufsehen gesorgt. Sie wich seinen Fragen aus, erwähnte den frühen Stand der Ermittlungen. Kein einziges Wort von ihm zu ihrem Privatleben und wie und ob sie mit der Situation klargekommen war. Eine überhastete Verabschiedung und weg war er. Eine fassungslose Verena blieb zurück. Sieben Jahre ihres Lebens hatte sie an der Seite eines Mannes verbracht, dem sie gleichgültig war. Ihr war zum Heulen zumute, als sie sich in die lange Schlange vor der Kasse einreihte. Sie schwor sich, den Kerl ab heute endgültig aus ihrem Herzen zu verbannen.
24
Assistentin Schramm war zur allgemeinen Überraschung nicht da. Verena hatte die Lagebesprechung der Soko Heise bereits begonnen, als sie mit hochrotem Kopf erschien. „Schon wieder neue Baustellen in der Hildesheimer Straße, Baustellen, die überflüssig sind wie ein Kropf“, schimpfte sie. Hirschmann, sonst Pünktlichkeitsfanatiker, gab sich verständnisvoll und tätschelte ihren Rücken, als sie sich neben ihn setzte. Nicht zum ersten Mal fragte sich Verena, ob zwischen den beiden was lief.
Die Heizung im Besprechungsraum war endlich repariert worden. Jetzt ließ sie sich nicht mehr herunterdrehen. Brüllende Hitze war die Folge. Beim vergeblichen Versuch, das seit Jahren kaputte Fenster zu öffnen, verstauchte sich einer der Beamten den Arm und fluchte lautstark. Einige guckten demonstrativ auf ihre Uhr. Bloß keine Überstunden am Freitag.
Verena machte den Anfang, berichtete über die Vernehmungen im Roten Salon, der gelb war. Die angeblich von Baumgart gesponserte Geburtstagsfeier ließ sie aus. Sie wollte erst mit Stollmann unter vier Augen darüber sprechen.
Petra Schramm, noch immer außer Atem, hatte einiges über Ministerialrätin König in Erfahrung gebracht: einundfünfzig Jahre alt, seit vierzehn Jahren verheiratet, keine Kinder, keine Geschwister, die Eltern tot. Ihr Mann Peter arbeitete im Ausland, momentan in Dubai.
„Sie wohnen in einer Etagenwohnung in einer Altbauvilla im Zooviertel. Ihnen gehört die erste Etage, die Wohnung darüber steht leer, das Erdgeschoss ist an eine Ingenieurgesellschaft vermietet. Die Nachbarn links von ihr sind zum Überwintern in Spanien. Ihre Nachbarin zur Rechten, eine ältere Dame, war recht gesprächig. Frau König bekommt fast nie Besuch, geht aber häufig abends weg. Die gehbehinderte Frau verlässt kaum ihre Wohnung. Sie verbringt ihre Tage damit, aus dem Fenster zu gucken. So auch am Tatabend.“
„Schlecht für sie, gut für uns“, kommentierte Hirschmann. „Weiß sie, wann Frau König zurückgekommen ist?“
„Das muss nach zweiundzwanzig Uhr gewesen sein. Sie geht um diese Zeit ins Bett. Bis dahin war Frau König nicht zurück. Die parkt ihren Golf nämlich immer direkt vor dem Küchenfenster ihrer Nachbarin. Das Verhältnis der beiden ist gelinde gesagt mies. Sie hatte kein gutes Wort für die Ministerialrätin übrig. Der Ehemann sei nett, grüße immer höflich, die Frau hingegen arrogant und wortkarg.“
„Interessant. Über Alexander Heise haben die Nachbarn ähnlich geredet. Frau König fährt also einen Golf?“, vergewisserte sich Verena.
„Ja, einen dunkelblauen.“
„Dann sind wir einen
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