Die Staatskanzlei - Kriminalroman
gehörigen Schritt weiter. Sie hat ein Motiv, aber kein Alibi und sie hat gelogen. Von wegen Fernsehabend.“
Verenas Schlussfolgerung fand allgemeine Zustimmung. Nur Stollmann äußerte Zweifel. Er brachte erneut die ungeklärten Geldzahlungen und das Stichwort Erpressung ins Spiel.
Verena räumte ein, dass die Beamtin kühle Rationalität ausgestrahlt hatte. „Zu einem Mord gehören jedoch Emotionen, außer bei Mord auf Bestellung. Und eine Berufskillerin ist sie definitiv nicht.“
Ihre Assistentin monierte die Unterbrechung. „Ich war noch nicht fertig. Britta König ist Mitglied in der Bürgerpartei, engagiert sich im Landesfachausschuss für Gleichstellung und Frauenfragen. Am Wochenende joggt sie gelegentlich, weitere Hobbys sind nicht bekannt. In der Staatskanzlei arbeitet sie seit fünfzehn Jahren, seit sieben Jahren im Rang einer Ministerialrätin B 2.“
„Die muss in Geld schwimmen, Doppelverdiener, keine Kinder und die gleiche Gehaltsgruppe wie unser Vize.“ Der Beamte des gehobenen Dienstes, der seit Jahren vergeblich um eine Höhergruppierung nach A 11 kämpfte, konnte seinen Unmut nicht verbergen. Stollmann wäre nicht er selbst, wenn er diese Bemerkung nicht aufgegriffen hätte. „Wir sitzen nicht im Olymp der Macht oder, anders gesagt, am Schweinetrog wie die Kollegen der Staatskanzlei.“
Einige schmunzelten, andere goutierten den Schweinetrog mit beifälligem Gemurmel. Hirschmann wollte die despektierliche Bemerkung nicht stehen lassen, setzte zu einer Rüge an. Verena kam ihm zuvor. „Lass gut sein, Stolli. Das Thema hatten wir schon.“
Hirschmann übernahm es, die Gruppe über die Vernehmung des türkischstämmigen Hausmeisters, dessen Bruder sich in Pakistan aufhielt, zu unterrichten. „Ein Bekennerschreiben gibt es nach wie vor nicht. Aber vorschnell will ich die Spur nicht aufgeben. Ich habe sowohl bei der Bundespolizei als auch im Auswärtigen Amt nachgefragt, ob es nähere Informationen zum Aufenthaltsort dieses Mehmed gibt. Man kann ja nie wissen, vielleicht ist er längst wieder in Deutschland.“ Dass der Verfassungsschutz sich ausgeklinkt hatte, behielt er für sich. Stollmann flüsterte Verena ins Ohr: „Er ist und bleibt ein Arsch mit Ohren.“
Ein Testament war bislang nicht gefunden worden. „Bleibt es dabei, ist Karla Alleinerbin und Irene Heise verfügt bis zur Volljährigkeit ihrer Tochter über ein Vermögen von einer Millionen Euro. Sie hatte also ein Motiv“, meinte Verena. „Außerdem ist sie Besitzerin eines neun Jahre alten Polos, nicht schwarz zwar, aber immerhin von dunkler Farbe. Heises Nachbarin hat das Fahrzeug immer nur nach Anbruch der Dunkelheit gesehen, kann sich also hinsichtlich Farbe und Modell geirrt haben.“
Einer der älteren Beamten, ein notorischer Frauenhasser, sah sich zu der Bemerkung genötigt, dass die meisten Frauen einen Golf nicht einmal von einem Mercedes unterscheiden können, geschweige denn von einem Polo. Inga Schulz und Petra Schramm protestierten lautstark. Stollmann stellte sich auf ihre Seite.
„Wäre nett, wenn wir zum Mordfall zurückkommen“, beendete Verena das Scharmützel.
Stollmann brachte sein Gespräch mit Gabi Eggers zur Sprache, verwies auf seinen schriftlichen Bericht, der auf Verenas Schreibtisch lag.
Assistentin Schramm hatte weitere Informationen für die Runde. „Irene Heise war bei ihren Kolleginnen nicht gut angesehen. Sie behaupten, dass ihre Arbeitsleistungen unter aller Sau waren. Mit Altmann selbst habe ich auch gesprochen. Tat furchtbar beschäftigt. Auch aus seinem Mund kein gutes Wort über Frau Heise. Wenn sie nicht von sich aus gekündigt hätte, was sie gleich am ersten Tag nach dem Mord getan hat, hätte Altmann sie entlassen.“
„Sie brauchte demnach Geld, die Entlassung wird schon länger im Raum gestanden haben. So etwas bleibt in einer kleinen Kanzlei doch nicht verborgen“, vermutete Hirschmann. Es bestand Einigkeit, dass ihre Tochter befragt werden müsse, notfalls unter Hinzuziehung des Jugendamtes.
Die Auswertung von Notebook und Handy lief noch. Im Adressenverzeichnis von Heises Handy waren nur sieben Nummern gespeichert, fünf davon aus der Staatskanzlei, die anderen beiden gehörten seiner Tochter und seinem Freund Hackmann. Die Nummer seiner vorübergehenden Lebensgefährtin Gabi Eggers musste er gleich nach der Trennung gelöscht haben.
Verena brachte das Gespräch auf die Bankunterlagen zu den Geldeinzahlungen. „Sobald sie vorliegen, müssen Heises Telefonlisten
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