Die Staatskanzlei - Kriminalroman
auch.
Im Gästehaus war alles vorbereitet. Die Hausdame hatte reichlich aufgetischt: Lachs, Ammerländer Schinken, verschiedene Sorten Käse, Marmeladen, Honig aus der niedersächsischen Heide, dazu selbst gebackene Brötchen, Kaffee und Friesentee. Obwohl es noch vor der Zeit war, waren die meisten Gäste bereits eingetroffen. Ihren Gesichtern sah man an, dass sie sich auf das Treffen mit dem Regierungschef freuten. Anders als viele Politiker bekundete der seine Sympathie für den Mittelstand nicht nur mit Lippenbekenntnissen, sondern ließ seinen Worten auch Taten folgen. Die Handwerker und Händler honorierten das mit ihrer uneingeschränkten Wertschätzung.
Eigentlich hätte Heise hier sein müssen, Wagner war nur eingesprungen. Er stellte sich den Besuchern vor, die meisten kannten ihn aus den Medien. Thema Nummer eins war der Mord, der nun aufgeklärt war und dem zur allgemeinen Erleichterung kein politisches Motiv zugrunde lag. Dann erschien der Ministerpräsident, jovial, gut gelaunt und voller Tatendrang. Er schüttelte jedem die Hand, hatte für jeden ein persönliches Wort. Die wechselseitige Sympathie war spürbar.
„Nehmen Sie Platz, meine Herren. Einige haben einen weiten Weg hinter sich. Bedienen Sie sich. Ich selbst muss passen, eine leichte Magenverstimmung. Hat für Sie den Vorteil, dass ich reden kann, während Sie es sich schmecken lassen. Wünsche guten Appetit allerseits.“
Gelächter im Raum. Es wurde kräftig zugelangt.
Nach den anschließenden Begrüßungsworten des Regierungschefs, in denen er nicht versäumte, die mittelstandspolitischen Errungenschaften der Landesregierung hervorzuheben, meldete sich der Präsident der Mittelstandsvereinigung zu Wort. Im Namen aller Anwesenden brachte er sein Bedauern über den Tod Heises zum Ausdruck. „Ministerialdirigent Heise hatte stets ein offenes Ohr für die Belange des Mittelstands. In ihm hatten wir einen überaus kompetenten Gesprächspartner. Sein Tod ist ein schwerer Verlust für die mittelständischen Unternehmen in Niedersachsen.“
Der Ministerpräsident war gerührt. „Ja, Heise war ein ausgezeichneter Mitarbeiter. Sein Verlust wiegt schwer. Schlimme Sache, die eigene Ehefrau.“
Nur Wagner wusste, wie erleichtert der Chef auf die Mitteilung reagiert hatte, dass es sich um eine Beziehungstat handelte und politische Motive keine Rolle spielten.
Dann leitete der Gastgeber zum Grund des Treffens über, ging auf die Themen ein, die die Mittelstandsverbände in Vorbereitung des Treffens genannt hatten. Er war wieder ganz der Alte, souverän, gut informiert und locker. Die Gesichter der Anwesenden strahlten.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, die Hausdame erschien. Das tat sie sonst nie, in ein Arbeitsfrühstück hereinplatzen. Es musste etwas passiert sein. Sie steuerte den Ministerpräsidenten an und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der wurde leichenblass. Dann erhob er sich, wobei eine Tasse Kaffee umkippte und einen hässlichen Fleck auf der schneeweißen Tischdecke hinterließ. „Entschuldigen Sie mich, meine Herren. Ich höre gerade, dass etwas Schreckliches passiert sein soll. Ich muss sofort mit Innenminister Krause telefonieren.“
Wagner wurde mit einer Geste aufgefordert, ihm zu folgen. Der beäugte bedauernd das Brötchen auf seinem Teller. Niemand kochte so leckere Kirschmarmelade wie die Hausdame. Ohne ihn zu beachten, stürzte der Chef die Treppe hinauf in sein Büro. Wagner hatte seine liebe Not, mit ihm Schritt zu halten. Die Neuigkeit, die der Ministerpräsident oben angekommen in petto hatte, war brutal. Erst allmählich drang sie in Wagners Inneres vor. Sein Kollege Niemann war erschossen worden. Seine Frau, die übers Wochenende verreist gewesen war, hatte ihn am Morgen tot aufgefunden.
Der Schock saß tief. Frau Heise befand sich doch in Untersuchungshaft. Man hatte die Falsche festgenommen. Der Mörder war noch immer auf freiem Fuß. Kein beruhigendes Gefühl für Wagner. Zwei seiner Kollegen tot und beide hatten mit der Korruptionssache zu tun gehabt. Heise unmittelbar als Nutznießer und Niemann als unfreiwilliger Mitwisser. Niemann war kurz nach ihm in Heises Büro gekommen, als der Geld von der TAWES AG verlangt hatte. Auch wenn er es geleugnet hatte, war er wie Wagner zum Mitwisser geworden.
Wagner konnte die Angst förmlich spüren. Es konnte doch nicht sein, dass wegen einiger Tausend Euro zwei Beamte erschossen wurden. Steckte in Wirklichkeit viel mehr dahinter? Ging es um Machenschaften, von
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