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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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kurzer Blick auf die Leiche, einige unverbindliche Worte an die Mitarbeiter der Spusi, bevor sie das Haus verließ. Auf dem Weg zu ihrem Auto spielte sie erneut den Hasen. Die Journaille reagierte aggressiv. Die Warterei in der Kälte hatte ihren Adrenalinspiegel ansteigen lassen. Verena ließ die Fragen und Anwürfe an sich abprallen.
    Die Wolkendecke war aufgerissen und brachte blauen Himmel zutage. Die weiß bedeckten Felder, die mit Schnee bedeckten Birken und Tannen am Straßenrand, dazu die roten Backsteinhäuser mit weiß gepuderten Dächern, eine zauberhafte Winterlandschaft tat sich Verena auf der Rückfahrt nach Hannover auf. Sie hatte kein Auge dafür, vor ihr lagen schwere Stunden.

35
H ANNOVER
    Im Büro des Direktors war es stickig, oder kam es ihr nur so vor? Stollmann, der es doch noch vor ihr geschafft hatte, zwinkerte ihr zu. Hirschmanns Gesicht war maskenhaft, die gute Laune vom frühen Morgen war wie weggeblasen. Er sah es als seine Aufgabe an, die Dinge beim Namen zu nennen. „Uns stehen schwere Zeiten ins Haus: Kübelweise Hohn und Spott, Häme und Medienschelte werden über uns ausgeschüttet werden. Ein Gebräu, das ganz und gar nicht nach dem Geschmack des Ministers sein wird.“
    Es war typisch für ihn, dass seine erste Sorge dem Innenminister und nicht dem Mordopfer und seiner Familie galt. Bevor Stollmann ihn anmachen konnte, ergriff der Direktor das Wort. Er wusste von einigen höchst unerfreulichen Telefongesprächen zu berichten: mit dem Innenminister, dem Leiter der Staatskanzlei und Strafverteidiger Janssen. Letzterer hatte ein Donnerwetter losgelassen und eine umfassende Rehabilitierung seiner rufgeschädigten Mandantin verlangt.
    Hirschmann warf Verena überstürztes Handeln vor. Vor wenigen Stunden noch hatte er ihr gratuliert. Jetzt schwafelte er davon, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen müsse. Nicht Ritter, Stollmann kam ihr zu Hilfe. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Bedenken gegen die Festnahme von Frau Heise geäußert hätten. Ganz im Gegenteil, als die Kollegin auf Schwachpunkte hingewiesen hat, wollten Sie davon nichts hören. Und jetzt wollen Sie unsere Kollegin zum Bauernopfer machen. Nichts anderes habe ich von Ihnen erwartet, Kollege Hirschmann.“
    Bevor sich der Streit zwischen den beiden hochschaukeln konnte, ging der Direktor dazwischen. Verena habe korrekt gehandelt. Alles sei mit ihm abgestimmt gewesen, erklärte er. Verena wurde es warm ums Herz. Er hielt zu ihr, alles kam ihr nur noch halb so dramatisch vor.
    „Da beide Opfer zur Führungscrew der Staatskanzlei gehören, müssen wir davon ausgehen, dass der Mord mit der Staatskanzlei zu tun hat. Ein Beziehungsdelikt ist unter den gegebenen Umständen unwahrscheinlich“, kehrte der Direktor zur Sachlichkeit zurück.
    Hirschmann nahm den Faden auf. „Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Ich habe von Anfang an auf islamistische Fundamentalisten getippt. Wo sich der Bruder dieses türkischen Hausmeisters herumtreibt, wissen wir immer noch nicht.“
    Ritter war skeptisch, verwies auf den Verfassungsschutz, der eine andere Meinung vertrat. Hirschmann sah sich zu einem gehässigen Kommentar genötigt, sprach von Erbsenzählern beim Verfassungsschutz.
    Dass ausgerechnet er von Erbsenzählern spricht, ist der Witz des Jahrhunderts, dachte Verena. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte sie lauthals gelacht. Zu ihrer Überraschung pflichtete Stollmann seinem Erzfeind bei.
    „Von Polizeiarbeit verstehen die so viel wie Erstklässler von der Relativitätstheorie. In meinen Augen sind das Schnarchnasen. Und immerhin haben Heise und Niemann den Staat repräsentiert. An den rund um die Uhr bewachten Ministerpräsidenten heranzukommen, ist fast nicht möglich. Für Beamte gilt hingegen: kein Personenschutz, kein gepanzertes Fahrzeug, keine Wachposten vor der Haustür. Gut möglich, dass die Täter das ausgenutzt haben.“
    Ritter runzelte die Stirn. „Es gibt kein Bekennerschreiben, nicht von Autonomen, nicht von Islamisten und nicht aus der Nazi-Ecke. Und kommen Sie mir jetzt nicht wieder mit Ihrer Häme über die Verfassungsschützer. Die Leute dort tun ihr Bestes – so wie wir“, fügte er an Stollmann und Hirschmann gerichtet hinzu.
    Stollmann widersprach. Worte wie Drömelsäcke, Schlafmützen und Vorschriftenfanatiker fielen. Ausnahmsweise gab Hirschmann ihm recht. Direktor Ritter nahm die Kollegen in Schutz, das ging eine Weile hin und her.

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