Die Staatskanzlei - Kriminalroman
denen er nichts wusste, was aber der Mörder wiederum nicht wusste? War auch er in Gefahr?
„Es hat Ihnen wohl die Sprache verschlagen, Wagner? Ein sprachloser Regierungssprecher. Großartig, den habe ich mir immer gewünscht.“ Die Stimme des Ministerpräsidenten klang eisig.
„Ja, das hat es“, stammelte Wagner. Erwartete sein Chef eine geschliffene, druckreife Erklärung?
Innenminister Krause und Staatssekretär Haders wurden per Telefon herbeizitiert. Wagner wurde beauftragt, die Mittelständler zu informieren, dass ein neuer Mord passiert war. Das Arbeitsfrühstück musste abgebrochen werden.
Die Gäste aus der Wirtschaft reagierten entsetzt. Aufgeregt durcheinanderredend verließen sie das Gästehaus. Wagner ging zurück ins Chefbüro. Der Ministerpräsident telefonierte mit dem Parteivorsitzenden. Als er auflegte, sagte er: „Krause und Haders müssten jeden Moment eintreffen. Was, verdammt noch mal, hat das alles zu bedeuten, Wagner? Will der Mörder mich fertigmachen, indem er meine Leute erschießt?“
Wagner dachte, ich muss es ihm sagen. Jetzt auf der Stelle. Als er noch überlegte, wie er dem Chef die unangenehme Wahrheit möglichst schonend beibringen sollte, wurde die Tür aufgerissen und Innenminister Krause stürmte herein.
37
Das hochrote Gesicht des Innenministers ließ auf einen bedenklich hohen Blutdruck schließen. Der inzwischen ebenfalls eingetroffene leichenblasse Haders neben ihm bot das Kontrastprogramm. Zwischen beiden thronte der Ministerpräsident. Wagner hatte ihm gegenüber Platz genommen. Sein Chef wirkte derangiert, die Haare standen wirr um seinen Kopf herum und sein Gesicht verriet ungläubiges Entsetzen.
Der Innenminister musste harsche Kritik über sich ergehen lassen. Seine Leute hätten Mist verzapft und eine unschuldige Person festgenommen. Der Eindruck in der Öffentlichkeit sei verheerend, schimpfte der Chef. Der so Gescholtene widersprach nicht, was einem Schuldanerkenntnis gleichkam. Fritz Krause war sonst nicht dafür bekannt, dass er unberechtigte Kritik einsteckte, selbst vom Regierungschef nicht.
Wagner, der neben Krause saß, roch die Bierfahne. In Insiderkreisen war bekannt, dass der Minister dem Alkohol mehr zusprach, als gut für ihn war. Seiner Beliebtheit in den ländlichen Regionen des Landes tat das keinen Abbruch. Er war eben ein ganzer Kerl, hieß es. Und wenn es sein musste, konnte er stocknüchtern sein. Auf den Innenministerkonferenzen galt er als Hardliner, aber als kluger Kopf.
Der Minister lieferte einen kurzen Abriss zum Sachstand der Ermittlungen. Viel war es nicht. Der Chef reagierte ungehalten. „Das ist weniger als nichts.“
Krause ließ die Schelte an sich abprallen und brachte eine neue Theorie ins Spiel. „Vielleicht geht es um Rache. Ein ehemaliger Mitarbeiter, dem gekündigt wurde.“
Der Ministerpräsident war nicht überzeugt. „Gekündigt? In der Staatskanzlei kündigt man nicht. Sie als Innenminister sollten das wissen. Strafversetzung ja, aber Kündigung niemals. Außer, einer klaut silberne Löffel.“
Haders zupfte sich am Kinn, ein untrügliches Zeichen, dass er sich nicht wohl fühlte in seiner Haut. „Was ist, Haders, hat doch jemand silberne Löffel geklaut?“
Der druckste herum. „Nicht, dass ich wüsste“, stammelte er schließlich. „Und Niemann war überall beliebt, als Chef, als Kollege und als Mitarbeiter. Auch bei den Abgeordneten und Verbänden, er war ja auch ganz anders als Heise, nicht so hart und von oben herab. Er war …“
Er stockte. Wagner dachte: Er verschweigt uns was. Auch den Ministerpräsidenten hatten seine Worte nicht überzeugt. „Wenn es so ist und er überall beliebt war, frage ich Sie: Wer hat ihn erschossen? Zumindest einen Menschen muss es geben, der ihn nicht gemocht hat, sonst wäre er jetzt nicht tot.“
Wagner fand, es sei an der Zeit, mit der Wahrheit rauszurücken. Die Umstände zwangen ihn dazu. Er hatte schon zu lange gewartet. „Herr Heise war korrupt“, platzte es aus ihm heraus. „Er hat sich dafür bezahlen lassen, dass er Sie für Firmenjubiläen vermittelt hat. Und die begehrten Plätze bei Ihren Auslandsreisen hat er sich auch bezahlen lassen.“
Der Ministerpräsident starrte ihn ungläubig an. Dann polterte er los. „Was erzählen Sie da für einen Bockmist! Heise korrupt, wie kommen Sie nur darauf? Er soll mich an Firmen verkuppelt haben, wie ein Zuhälter? Sind Sie denn völlig verrückt geworden, Wagner!“
„Leider nein, Chef. Ich war selbst
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