Die Staatskanzlei - Kriminalroman
eine Frage. „Was ist mit dem Termin beim Konsul von Holzhausen in München, soll ich den auch verschieben?“
Statt einer Antwort wurde er mit einem wütenden Blick bedacht. „Nicht jetzt, Wagner.“
Mist, dachte der. Der Termin war topsecret und er hatte ihn ausgeplaudert. Der Chef würde ihm die Hölle heißen machen. Er hatte Glück, ein dringender Anruf rettete ihn. Der Bundeskanzler höchstpersönlich, der Ministerpräsident komplimentierte sie aus seinem Büro und sprach mit säuselnder Stimme ins Telefon. So war es immer, die beiden begegneten sich mit ausgesuchter Höflichkeit. Hinter dem Rücken schossen sie dafür umso heftiger Giftpfeile ab.
Zu Wagners Überraschung folgte ihm der Innenminister. Er erkundigte sich eingehend nach dem ihm zu Ohren gekommenen Gerücht über die von Baumgart gesponserte Geburtstagsfeier. Dann meinte er: „Es gibt nichts, was ich dem Mann nicht zutraue. Aber das darf man nicht laut sagen. Schließlich ist Baumgart der wichtigste Sponsor der Bürgerpartei. Und jedermann weiß, dass der Spruch ‚Geld regiert die Welt‘ heute mehr Gültigkeit hat als jemals zuvor.“ Wagner wunderte sich über die offenen Worte des Innenministers, gehörte der doch zu den Stammgästen in Baumgarts Partykeller.
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B ERLIN
Boris Milner saß im Operncafé und frühstückte. Nachdem er eine doppelte Portion Rührei mit Schinken, dazu zwei Scheiben Vollkornbrot vertilgt hatte, goss er sich Kaffee ein und nahm sich die Tageszeitung vor. Der Artikel auf Seite zwei erweckte seine Aufmerksamkeit. Die geschiedene Frau war als Mörderin überführt worden. Er hatte bereits am Samstagabend davon erfahren. Baumgart hatte ihn angerufen und sich erleichtert gezeigt. Erleichtert war auch er. Die unsäglichen Ermittlungen dieser LKA-Tante, das Herumstochern in Vorgängen, das womöglich auch Licht auf seine Geschäfte warf, hatten ein Ende. Nichts hasste Milner mehr als schnüffelnde Polizeibeamte. Und es gab vieles auf dieser Welt, das er hasste.
Den Bericht aus dem Radio, das im Hintergrund lief, nahm er zunächst nicht wahr. Der Name Heise erweckte seine Aufmerksamkeit. Eine brandaktuelle Meldung aus der Niedersächsischen Staatskanzlei. Ein weiterer Beamter war erschossen worden. Die Nachricht sorgte für Aufregung unten den Gästen. Zwei Herren neben ihm, wie sich herausstellte Bundestagsabgeordnete, gaben Unmutsäußerungen von sich: „Wie furchtbar, entsetzlich und mein Gott, was ist da nur los?“ Das fragte sich Milner auch. Wie konnte es sein, dass ausgerechnet in dem nördlichen Bundesland, dessen Bewohner sich gern als sturmfest und erdverbunden bezeichneten, zwei politische Beamte erschossen wurden? Nicht ohne Grund hatte Milner sich bei seinen Investments für Niedersachsen entschieden. Land und Menschen galten als fleißig, aber dröge, die Wirtschaft im Vergleich zu Bayern und Hessen als eher unterentwickelt. Es gab etliche Unternehmen, die sich über eine Finanzspritze freuten und nicht groß fragten, woher das Geld kam. Und anders als in Berlin, wo sich bereits etliche ehemalige Mafiagrößen aus den ehemaligen GUS-Staaten tummelten, herrschte in dem Land zwischen Harz, Heide und Nordsee eine vergleichsweise heile Welt. Gut, in der Region Hannover gab es einige kurdische und libanesische Familienclans, die sich im Heroinhandel betätigten. Und in einigen norddeutschen Mittelstädten hatten Mitglieder der italienischen Mafia eine zweite Heimat gefunden. Sie betrieben Imbissketten und Restaurants, in denen Geld gewaschen wurde. Aber eine Bananenrepublik wie seine Heimat war das Land keineswegs. Hatte er bis heute geglaubt. Jetzt geriet sein Weltbild ins Wanken.
Er griff nach seiner Jacke, die er über den Stuhl gehängt hatte, warf einen Geldschein auf den Tisch und fingerte noch im Hinausgehen nach seinem Handy. Baumgart meldete sich nicht. Wo trieb der Kerl sich herum? Man sollte doch meinen, dass er an einem Montagmorgen erreichbar war.
Es mochten ein oder zwei Minuten vergangen sein, als das Handy klingelte. Baumgart rief zurück. Er spielte mal wieder den Ahnungslosen, hatte angeblich keinen blassen Schimmer, wer hinter den Morden steckte. Milner traute dem Braten nicht. Baumgart war ein Schlawiner, kochte sein eigenes Süppchen und behielt wichtige Informationen für sich. Der Kerl hielt sich für oberschlau, machte ein Geheimnis um die Namen der Politiker, die auf seiner Gehaltsliste standen. Milner kannte sie alle, auch die Beträge, die ihnen regelmäßig zuflossen.
„Was
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