Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
Vom Netzwerk:
nach dem Mordfall Niemann teilnahm. Er gab sich betont kühl, hatte auch für Verena kein Lächeln übrig. Ab jetzt sollten sich die Ermittlungen schwerpunktmäßig auf Personen im Umfeld der Staatskanzlei konzentrieren. Auf Mitarbeiter, die Groll auf ihren Arbeitgeber hegten, auf gescheiterte Existenzen, die die Regierung für ihr Schicksal verantwortlich machten, auf Wutbürger, die die Landesregierung im Visier hatten.
    Stollmann brachte die praktische Seite ins Spiel. „Wie sollen wir vorgehen? Sämtliche Akten der Staatskanzlei durchforsten? Wie viele sind das, tausend oder fünftausend? Das kann Monate dauern. Außerdem, Tatsache ist doch, dass viele Bürger wütend sind, weil sie politische Entscheidungen für beschissen halten. Womit sie häufig recht haben, wenn ich das mal sagen darf. Sollen wir die alle unter Generalverdacht stellten?“
    Dass er sich die Spitze nicht verkneifen konnte, überraschte niemanden im Raum. Politikerschelte und Stollmann gehörten wie der Topf zum Deckel. Ritter war nicht begeistert. „Hier geht es nicht um Politikverdruss. Es geht um zweifachen Mord. Möglicherweise gibt es Drohbriefe, empörte Mails, hausinterne Notizen über pöbelnde Anrufer und Besucher. Hören Sie sich in der Staatskanzlei um und achten Sie auf die Zwischentöne. Auf die besonders.“
    Zwischentöne waren Verenas Spezialität. Jetzt fragte sie sich, ob der Direktor andeuten wollte, dass sie das Einmaleins der Vernehmungstechnik nicht beherrschte. Sie setzte an, etwas zu sagen, dann schluckte sie die unausgesprochenen Worte herunter. Empfindlichkeiten konnte sie sich nicht leisten. Nicht nach dem, was geschehen war.
    Weitere Aufgaben wurden verteilt. Hirschmann würde mit Niemanns Witwe und dem Sohn, der in Münster studierte, sprechen. Zwei Beamte würden sich in der Nachbarschaft umhören. Die Auswertung von Niemanns Telefonlisten würde das inzwischen bewährte Team Schramm/Kleinsorge übernehmen. Der Beamte errötete bei der Ankündigung. Seine Schwärmerei für die Kollegin nahm bedenkliche Ausmaße an. Dann beendete Ritter die Besprechung. Verena hoffte auf einen verständnisvollen Blick, vielleicht sogar ein verstecktes Lächeln. Es blieb aus.
    Vor ihrem Büro wartete Willm Hackmann auf sie. Eigentlich hätte Janssen kommen wollen. Der hatte jedoch einen wichtigen Gerichtstermin. Totschlag im Affekt, ein Krieg unter Rockerbanden.
    Der Anwalt kam ohne Umschweife zum Grund seines Besuches. „Jetzt, wo feststeht, dass Frau Heise nicht die Täterin sein kann, bestehen wir auf einer offiziellen Entschuldigung. Der Ruf der Witwe ist ramponiert, etwas bleibt ja immer hängen. Da hat das LKA einiges wiedergutzumachen, auch mit Rücksicht auf die minderjährige Tochter. Oder glauben Sie, es ist ein Zuckerschlecken, wenn die eigene Mutter als Mörderin verdächtigt wird?“
    „Natürlich nicht. Ich werde heute Abend bei Frau Heise vorbeifahren und mich persönlich bei ihr entschuldigen“, versprach Verena. „Ein böser Irrtum, keine Frage, allerdings bei der Indizienlage bis hin zu DNA-Spuren am Jackett des Ermordeten irgendwie nachvollziehbar“, fügte sie hinzu.
    Hackmann reagierte verschnupft. „Sie hat mit ihm gesprochen, muss ihn dabei berührt haben. Was ist dabei, wenn eine geschiedene Frau ihren Exmann wegen der Unterhaltungszahlungen aufsucht? So einfach kommen Sie nicht davon. Ich verlange eine offizielle Mitteilung Ihrer Behörde, in der die Festnahme meiner Mandantin bedauert und klargestellt wird, dass keinerlei Verdachtsmomente mehr gegen sie bestehen.“
    „Ihre Mandantin? Hat nicht Strafverteidiger Janssen sie vertreten? Aber sei es drum: Ich kann nichts versprechen. Die Pressearbeit untersteht dem Direktor. Sie müssen mit ihm darüber sprechen.“
    „Pah, glauben Sie nicht, dass ich das nicht schon längst getan habe. Der stellt sich stur, typisch Hanseat.“
    „Ich kann leider nichts für Sie tun, wie ich bereits sagte, unterliegt …“
    „Nichts für Sie tun, sagen Sie. Pah, typisch deutsche Beamtin! Wenn es darauf ankommt, Verantwortung zu übernehmen, tauchen Sie ab.“
    Der Anwalt suchte umständlich in seinen Hosentaschen nach einem Taschentuch, fand keines und wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke über die Stirn. Dann erhob er sich. „Wir Freiberufler können nicht die Zuständigkeitsfanatiker geben. Wir Mittelständler müssen für das geradestehen, was wir angestellt haben, Sie in den Behörden nicht. Kein Wunder, dass die Zahl der Wutbürger in diesem Land täglich

Weitere Kostenlose Bücher