Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Kontakte.“
Milner zuckte die Schultern. „Bin ich der liebe Gott? Um auf meine Investments in Niedersachsen zurückzukommen: Ich will im Verborgenen bleiben. Der Euro wackelt bedenklich, Europa steht vor einer Rezession. Kann gut sein, dass ich meine Firmenanteile von einem Tag auf den anderen verkaufen möchte. Irgendwelche bescheuerten Kameltreiber aus den Emiraten finden sich immer.“
Der Anwalt war anderer Meinung, unter seinen Mandanten befanden sich auch Geschäftsleute aus dem arabischen Raum. Er behielt seine Zweifel für sich.
Milner war noch nicht am Ende. „Kontakte zu Regierungsstellen sind nur Störfeuer. Die Leute behämmern einen, quatschen dummes Zeug von sozialer Verantwortung und solchen Schwachsinn. Rufen womöglich noch die Medien auf den Plan. Ich will das alles nicht.“
Das konnte der Anwalt gut nachvollziehen. Er äußerte Verständnis. Dann schnitt er ein neues Thema an.
„Was ist eigentlich mit dem Klinikvorhaben? Wollte Baumgart sich nicht darum kümmern?“
Milner nickte. „Nicht nur er. Heise auch. Das ist es ja, was mich stutzig macht. Ich frage mich die ganze Zeit, ob sein Tod mit unserem Plan zu tun haben könnte. Und was Niemann betrifft, vielleicht hat Heise ihn eingeweiht. Jedenfalls stehe ich jetzt ohne Kontaktmann in die Staatskanzlei da.“
Der Anwalt beschwichtigte ihn. „Geldgierige Beamte finden sich immer. Und auf Baumgart allein sollten Sie in der Tat nicht bauen. Wenn es so weit ist, stehe ich bereit, wegen der Verträge meine ich.“
„Klar tun Sie das. Springt ja auch ’ne Menge Geld für Sie dabei raus.“
Milner stand auf. Bevor er ging, kam er noch einmal auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zurück. „Sie wissen Bescheid: Verkauf meines Anteils an der Metall GmbH in Nordhorn gleich morgen früh. Die Abwicklung wie üblich. Sie erreichen mich in den nächsten Tag übrigens nicht. Ich muss für einige Tage nach St. Petersburg.“
Den Stress mit Hollmann erwähnte Milner nicht. Der Anwalt musste nicht alles wissen. Außerdem war die Sache so gut wie gegessen. Nach ihrer Rückkehr aus Russland würde der aufdringliche Journalist Besuch bekommen. Danach würde ihm die Lust zu neugierigen Fragen ein für alle Mal vergehen.
Bevor der Anwalt sich erheben konnte, um seinen zahlungskräftigen Mandanten hinauszubegleiten, war der bereits zur Tür geeilt. Er verschwand ohne ein weiteres Wort. Der Anwalt seufzte. Milners Umgangsformen! Aber die musste man bei der Höhe des Honorars wohl in Kauf nehmen.
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H ANNOVER
Es ging auf Mitternacht zu und sie saßen noch immer zusammen. Der Regierungschef, sein Pressesprecher und Innenminister Krause. Auf dem Tisch standen eine fast leere Flasche Likör und zwei benutzte Gläser, daneben lag ein Blatt Papier. Die Selbstverständlichkeit, mit der die beiden Spitzenpolitiker das Vordringen der Russenmafia nach Niedersachsen akzeptierten, machte Wagner fassungslos. Krause nieste. „Verdammt, ich habe mich beim Grünkohlessen in Oldenburg erkältet. In der Weser-Ems Halle war es schweinekalt. Um auf Milner zurückzukommen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit den beiden Morden zu tun hat. Was ich mir aber lebhaft vorstellen kann, ist das Medienspektakel, wenn die Sache mit seinen Beteiligungen und Firmenaufkäufen auffliegt. Man wird uns Blauäugigkeit vorwerfen. Es kann auch schlimmer kommen und man haut uns andere Nettigkeiten um die Ohren: Unvermögen, tatenloses Zusehen, wie das Land an die Russenmafia fällt. Die Leute hören es nicht gerne, dass ihre Arbeitsplätze von kriminellen Geschäftemachern abhängen.“
„Als ob wir eine Chance hätten, das Ganze zu verhindern“, stellte der Regierungschef lakonisch fest.
Der Innenminister hatte seine anfängliche Zurückhaltung aufgegeben und schenkte sich einen Likör ein, den dritten, wie Wagner neidisch registrierte. „Das macht es nicht besser. Die linken Medien bekommen Oberwasser und werden mal wieder das leidige Lied vom Kapital, das die Politik beherrscht, anstimmen. Das ist genau die Diskussion, die wir partout nicht brauchen. Schon gar nicht jetzt, wo wir gerade erst haarscharf an einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise vorbeigeschlittert sind.“ Er trank das Glas mit einem einzigen Schluck aus und stellte es beiseite.
Der Ministerpräsident seufzte. „Ihren Optimismus möchte ich haben. Die Eurokrise ist noch lange nicht ausgestanden, sie fängt gerade erst an. Aber darüber soll sich der Bundeskanzler Gedanken machen. Ich befürchte
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