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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Entspannungsübungen behandelt worden
.
    Nach einem dreiviertel Jahr war sie zur ambulanten Weiterbehandlung entlassen worden. Seither ging sie regelmäßig zum Arzt und ließ sich Neuroleptika verschreiben. Sie löste die Rezepte auch brav ein. Eine Vorsichtsmaßnahme, sie traute ihrem Hausarzt nicht. Schon einmal hatte er sich hinter ihrem Rücken mit ihrer Krankenkasse in Verbindung gesetzt
.
    Er war nicht der Einzige, vor dem sie sich in Acht nehmen musste. Ihr Chef bedachte sie in letzter Zeit mit merkwürdigen Blicken. Und ihre Mutter erkundigte sich auffallend oft nach ihrem Gesundheitszustand. Manchmal wünschte sie sich, dass ihre Mutter tot wäre. Vielleicht würde es bald so weit sein, sie war Mitte siebzig und klagte über Herzprobleme. Michael hatte nie geklagt und dann war er doch gestorben – mit gerade mal siebenundvierzig Jahren
.
    Plötzlich meldete sich die Stimme zurück. Sie redete lautstark auf sie ein. „Ja“, versprach sie, „heute Abend wird Wagner sterben.“

56
    Als es an ihrer Bürotür klopfte, war Verena nicht unglücklich. Jede Störung war willkommen, die sie aus ihren sich ständig im Kreis drehenden Gedanken befreite. Im Türrahmen stand Dr. Bertram. Der Profiler aus Hamburg schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Verena hatte ihn auf Anhieb gemocht, auch wenn er etwas unsortiert wirkte. Sein schmales Gesicht mit der hervorstechenden Nase wurde von den schwarz-braunen Augen beherrscht, aus denen er die Welt um sich herum aufmerksam betrachtete. Die langen braunen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Nach seiner Ankunft vor zwei Tagen hatte er sich ausführlich informieren lassen und Unterlagen mitgenommen. Anders als sein Kollege Dr. Faustmann spielte er sich nicht in den Vordergrund. Jetzt reichte er Verena einige Seiten eng beschriebenes Papier.
    „Viel ist es leider nicht“, entschuldigte er sich. „Für eine vergleichende Fallanalyse mit Substanz reichen die Fakten nicht.“ Er baute sich vor Verenas Schreibtisch auf. Sie stand auf, ging um den Schreibtisch herum, um den mit Akten voll bepackten Stuhl für ihn freizuräumen.
    „Die Spurenanalyse im Mordfall Niemann ist noch nicht endgültig abgeschlossen“, sagte sie. „Aber ehrlich gesagt, viel Neues erwarte ich nicht mehr.“
    Auf seinem Gesicht erschien ein betrübter Ausdruck. „Ob ich Ihnen damit helfen kann? Ich wünschte wirklich, es wäre so. Der Druck, unter dem Sie stehen, ist immens.“ Seine Stimme klang mitfühlend. Er war in jeder Beziehung das Gegenteil von Faustmann.
    „Eine Tasse Kaffee gefällig?“, fragte Verena. Er lehnte dankend ab. So wie Verena ihn einschätzte, bevorzugte er Kräutertee aus biologischem Anbau. Er stützte seinen Kopf auf seine Arme und sagte: „Ein merkwürdiger Fall. Der Täter beziehungsweise die Täterin hat beide Opfer in ihren Wohnungen erschossen. Spontane Taten können wir ausschließen. Die Morde waren sorgfältig geplant.“
    So weit waren wir schon lange, dachte Verena. „Heises und auch Niemanns Nachbarn wollen einen Golf gesehen haben, aus dem heraus die Häuser der Beamten vor den Taten beobachtet wurden.“
    „Ich weiß, ich habe die Vernehmungsprotokolle gelesen“, sagte Bertram. „Aus nächster Nähe jemanden zu erschießen, und dann noch frontal, da gibt es bei den meisten Menschen eine Sperre. Nicht so bei unserem Täter. Und das macht mich stutzig. Entweder haben wir es mit einem Profikiller zu tun oder mit einem total gefühlsarmen Menschen.“
    Er schaute sie an, wartete ihre Reaktion ab. Als sie nichts sagte, fuhr er fort. „Ich gehe davon aus, dass wir es mit Letzterem zu tun haben. Für einen Berufskiller gibt es keine Anhaltspunkte. Hannover ist nicht Neapel, wo die Mafia mit missliebigen Beamten kurzen Prozess macht.“
    Verena ging das Fortbildungsseminar des BKA durch den Kopf, in dem über das stetige und von der Politik bewusst im Verborgenen gehaltene Vordringen der Mafia in Deutschland referiert worden war. Und dennoch war es kaum vorstellbar, dass ausgerechnet im betulichen Niedersachsen zwei politische Beamte aufs Konto der Mafia gingen. Auch gab es nicht den geringsten Hinweis, dass die beiden in Mafiageschäfte verstrickt waren.
    Der Psychiater begründete seine Theorie. „Wir nennen solche Personen ‚dynamisch entleert‘. Oft handelt es sich um Menschen mit schwerer Depression. Dagegen spricht in den vorliegenden Fällen allerdings, dass sich der Hass depressiver Menschen fast immer gegen die eigene Person

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