Die Staatskanzlei - Kriminalroman
gewünschte Auskunft. „Milner ist ein russischer Oligarch, einer der ganz Großen. Bis zum Zusammenbruch der GUS war er KGB-Offizier. Schutzgelderpressungen und Menschenhandel haben ihn reich gemacht. Milliardär ist er allerdings erst geworden, nachdem er zu einem Spottpreis einen ehemals staatlichen Energiekonzern gekauft hat. Sein Vermögen wird auf drei Milliarden geschätzt.“
„Und weshalb kauft er halb Niedersachsen auf und warum über Tarnfirmen? Weshalb spielt er nicht mit offenen Karten?“, fasste der Ministerpräsident nach.
Der Innenminister setzte ein ratloses Gesicht auf. „Meine Leute von der Zentralstelle Wirtschaftskriminalität vermuten, dass er in Europa Fuß fassen will. Drei Milliarden wollen investiert sein. Und die Tarnfirmen sind ein probates Mittel, um Steuern zu sparen, besser gesagt zu hinterziehen. Auch Geldwäsche ist natürlich denkbar.“
„Warum ausgerechnet Niedersachsen? Soll der Kerl sich in Bayern austoben oder meinethalben in Hessen oder Baden-Württemberg. Die Süddeutschen sind doch sonst immer vorneweg, bilden sich ein, was Besseres zu sein“, wetterte der Ministerpräsident.
„Bei den Süddeutschen machen sich andere breit oder, besser gesagt, haben sich breit gemacht. Trotz der hohen Geldverluste infolge der Finanzkrise hat die Russenmafia immer noch verdammt viel Kapital, das investiert sein will. Die italienische übrigens auch. Und Deutschland ist ein bevorzugtes Investment: hohe Produktivität, gute Infrastruktur, gut ausgebildetes Personal, niedriges Lohnniveau, wenig Ärger mit den Gewerkschaften …“
„Sie müssen mir keinen Vortrag über die Vorzüge der deutschen Wirtschaft halten, Krause. Ich bin im Gegensatz zu Ihnen kein Lehrer, sondern Volkswirt. Heben Sie Ihre Belehrungen für andere auf. Für die Kollegen aus der Fraktion zum Beispiel. Zu viele Klugscheißer, die null Ahnung von Wirtschaft haben und dummes Zeug quatschen.“
Der Innenminister zwinkerte Wagner zu, lag er doch selbst häufig mit der Fraktion über Kreuz. Nun wandte auch der Ministerpräsident dem Regierungssprecher seine Aufmerksamkeit zu.
„Ist Ihnen der Name schon mal untergekommen, aus dem Kreis der Presseheinis vielleicht?“
Wagner schüttelte den Kopf.
„Heißt das, die Journaille hat von der Sache noch nicht Wind bekommen? Das würde mich allerdings wundern. Die Schmeißfliegen suchen doch immer nur nach Dreck. Ohne Dreck gehen die ein.“
Wagner sehnte sich nach seinem Bett. Er hatte Mühe, seine Augen offen zu halten. „Das mag sein, Chef, aber ich bin sicher, dass die Presse von Milner nichts weiß. Sonst hätte sie das längst hochgekocht. Ein ehemaliger Mafiaboss, der sich im großen Stil mithilfe von Tarnfirmen in niedersächsische Unternehmen einkauft, da gehen die nicht stillschweigend zur Tagesordnung über. Hollmann hätte es mir gesteckt, wenn er davon erfahren hätte. Wenn Max nichts weiß, wissen die anderen auch nichts.“
„Pah“, entfuhr es seinem Chef. „Hören Sie mir bloß mit Ihrem Freund Max Hollmann auf. Der Kommentar vorgestern in der
Allgemeinen Niedersachsenzeitung
war eine Ansammlung von Gehässigkeiten. Der Mann betreibt unseren Sturz.“
Wagner wusste es besser. Hollmann war weder gehässig noch wollte er die Regierung stürzen. Er war einfach nur ein kritischer Journalist, nicht mehr und nicht weniger.
„Es wundert mich nicht, dass niemand etwas ahnt“, mischte Krause sich ein. „Dieser Milner hat keine Mühe gescheut, seine Absichten zu kaschieren. Er hat ein unglaublich komplexes Firmenkonglomerat gegründet, jede Firma mit eigenem Namen und Firmensitz, übrigens fast immer in Liechtenstein, einige in der Schweiz. Sie finden keine Firma darunter, die mehr als eine Beteiligung erworben hat. Wie soll die Presse das aufdröseln? Solange niemand sie auf die Fährte setzt, bleibt sein Agieren im Verborgenen.“
Der Ministerpräsident schenkte sich einen Likör ein. „Auch einen?“, fragte er den Innenminister. Der wollte nicht. Wagner, der liebend gerne einen Likör getrunken hätte, wurde nicht gefragt.
„Im Verborgenen hört sich gut an, dabei soll es auch bleiben. Bislang wissen demnach nur vier Leute von Milners Aktivitäten, wir drei und Britta König. Außer Heise natürlich, aber der ist tot. Und Frau König habe ich zum Stillschweigen verdonnert. Die Frau weiß, wem sie ihre Karriere verdankt.“
Wagner hatte nicht den geringsten Zweifel, dass Britta König jeden Preis zu zahlen bereit war, wenn es um ihre Karriere
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