Die Stachelbeerstraeucher von Saigon
lassen.
Witzigbecks Tod
Trotz meines Zustandes, der von extremer Schwäche gekennzeichnet ist, teile ich auf diesem Weg den Hinterbliebenen und der restlichen Welt mit:
Johann Witzigbeck ist tot.
Ein Schicksalsschlag, der alle zutiefst verunsichert hat, die ihn kannten.
Denn Johann Witzigbeck erfreute sich nicht nur bester Gesundheit, er war auch allen Impulsen, die auf eine Verbesserung der Lebensqualität abzielten, mit großer Hingabe aufgeschlossen.
Mit tiefem Ernst und einer Art medialer Demut vernahm er immer wieder die Frohbotschaften der täglichen Lebenshilfen und interaktiven Doku-Soaps.
Für ihn war der Fernsehsessel nicht ein Ort der allmählichen geistigen und körperlichen Versulzung, sondern ein Beobachtungsposten, eine Art Hochsitz, ein Freiplatz im Studiengang » Virtuelle Lebensführung « .
Er lernte, obwohl unverheiratet, bei » Hilfe, mein Mann ist ein Handwerker « , dass es besser ist, den Nagelkopf als den Daumen zu treffen.
Er zog, obwohl unvermittelbar, aus » Schwer verliebt « die Erkenntnis, dass es ratsam ist, sich vor dem ersten Date die Zwiebelreste aus den Zahnlücken zu putzen, und er war als ständiger anonymer Informant für » Verdachtsfälle « immer darum bemüht, den sozialen Frieden in seiner Nachbarschaft nicht einschlafen zu lassen.
Vor allem aber, und dies in fast süchtiger Art und Weise, gab er sich Kochsendungen hin.
Hier überwand sein 3-D-Flachbildschirm seine rein technische Bestimmung, hier wurde er für Johann Witzigbeck zum Wahrheitsträger, Pixel für Pixel pure Erkenntnis.
Nun aber ist Johann Witzigbeck tot.
Und nur bruchstückhaft werden die tragischen Koordinaten seines viel zu frühen Ablebens sichtbar.
Nach allem, was bisher recherchiert wurde, steht fest, dass er sich eigentlich nur Spaghetti kochen wollte.
Ein sizilianisches Nudelgangerl.
So wie Alfons Schuhbeck es tags zuvor zubereitet hatte.
Von den Spaghetti aus gesehen war auch alles in bester Ordnung.
Das Ablaufdatum nicht überschritten, beste Bioware.
Die Tomaten tadellos, ebenso das Hackfleisch.
Obwohl, dieses, so die neuesten Erkenntnisse, hatte er sogar umgetauscht, als er herausbekommen hatte, dass es keine Bioangusware war und gerade tags zuvor Sarah Wiener in aller Dringlichkeit noch darauf hingewiesen hatte, dass, wenn man schon Hackfleisch verwende, dann nur vom Bioangus.
Es geschah wohl genau in dem Moment, als er die erste Tomate sanft einritzen wollte, so wie er es in der » Küchenschlacht « gelernt hatte, als es plötzlich in breitestem Steirischdeutsch aus dem Fernseher tönte.
Das geht natürlich nur mit dem original Lafertomatenmesser, da schneidet man schön die Tomate, da verletzt man die Tomate auch nicht.
Also nicht vergessen, das original Tomatenmesser aus der Laferkollektion.
Die Messer waren jedoch nicht vorrätig.
Er bestellte sie.
Als er den Anruf erhielt, dass die bestellte Ware eingetroffen sei, unterbrach er sogar entgegen jeglicher Gewohnheit das Studium der Sendung » mieten, kaufen, wohnen « , die er quasi prophylaktisch in seinen Lebensplan aufgenommen hatte, für den Fall, dass er einmal die Hunderttausendeurofrage gestellt bekommen sollte und seine 22-Quadratmeter-Wohnung verlassen würde.
Freudig nahm er die Lafertomatenmesser entgegen.
Als er eines davon jedoch behutsam auf die Tomate aufsetzte, stellte er fest, dass diese bereits Schimmelflecken hatte und von wabbeliger Konsistenz war.
Ja nicht verwenden!
Das hatte er bei » Wer is(s)t besser « gelernt.
Schaumgummikonsistenzen und Schimmelwucherungen bei Gemüse sind ungünstig.
Er kaufte sofort neue Tomaten.
Nun jedoch verbreitete das Hackfleisch einen üblen Geruch.
Der Fleischfachverkäufer gab bei seiner Vernehmung an, Witzigbeck hätte bei seinem zweiten Angusrindhackfleischeinkauf bereits einen erkennbar geschwächten Eindruck auf ihn gemacht.
Dennoch schaffte Witzigbeck das nach den Zustandsbeschreibungen vieler Zeugen für nicht mehr möglich Gehaltene, zerteilte die Tomaten, schnitt die Zwiebel, übrigens mit der Zwiebelmesserempfehlung von Sarah Wiener, goss Olivenöl in den Topf aus der Johann-Lafer-Kollektion und erhitzte es.
Und als er gerade alle Räume freigemacht hatte, gerade so, wie er es in » Das Messie-Team – Start in ein neues Leben « gelernt hatte, und sich logistisch auf den Kochablauf eingeschworen hatte, passierte das schicksalhaft Unvorhersehbare.
Eine Programmänderung.
Anstelle von » Familien im Brennpunkt « , einer Sendung, in der heillos
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