Die Stadt am Ende der Zeit
der Zeit«, flüsterte Ginny.
»Das wissen wir«, erklärte Farrah. »Doch uns bleibt weniger Zeit als erwartet. Was können wir tun?«
Die Holztür am anderen Ende der Bibliothek ging auf, und Miriam Sangloss trat ein. »Endlich«, seufzte Agazutta.
»Tut mir leid.« Dr. Sangloss trug einen kurzen weißen Arztkittel, eine blaue Bluse und Jeans und darüber einen braunen Regenmantel, der klitschnass war. Unter ihrem linken Arm klemmte eine Zeichenmappe aus schwarzem Kunstleder. »Tut mir wirklich leid, dass ich so spät komme.« Während sie den Regenmantel auszog, blickte sie sich im Zimmer um, in dem die Spannung förmlich zu greifen war. Sie zog eine Grimasse und wandte sich Ginny zu: »Freut mich zu sehen, dass manche Leute meinen Rat tatsächlich beherzigen.«
Um den Tisch für die Zeichenmappe freizumachen, warf Bidewell die zerfetzte Zeitung in den Papierkorb. »Hab mich als Einbrecher betätigt«, erklärte Sangloss, während sie die Mappe öffnete. »Bin gerade in die Wohnung eines jungen Mannes im Stadtteil Queen Anne eingedrungen und habe sie durchsucht. Die Adresse hatte ich aus seiner Krankenakte. Das hier habe ich dort gefunden, aber seinen Integralläufer konnte ich nirgendwo entdecken. Er muss ihn bei sich tragen.«
Vor Verblüffung kniff Ginny erneut die Augen zusammen.
»Die haben ihn und seinen Stein bestimmt schon geschnappt.« Die Rothaarige, Agazutta, ließ die Hand auf einen Stuhl knallen.
»Bis jetzt vielleicht nicht, aber es wird nicht mehr lange dauern«, erwiderte Miriam. »Der junge Mann ist sehr verwirrt.«
»Auch nicht verwirrter als wir alle«, sagte Farrah.
Der Regen prasselte nun so laut aufs Dach, dass Minimus’ Pupillen sich weiteten und er nach oben blickte.
Bidewell wandte sich Ginny zu. »Du solltest keine Angst vor uns haben. Wir sind die Beschützer und Bewahrer, das genaue Gegenteil der Leute, die diese Anzeige aufgegeben haben …« Er schüttelte den Kopf. » Die sind die Monster.«
»Nachdem das nun klargestellt ist, möchte ich euch zeigen, was ich in Jacks Wohnung gefunden habe.« Miriam zog einen kleinen Stapel von Skizzen aus der Zeichenmappe und breitete sie vor Ginny aus. Die oberste war mit Wasserfarben, Kreide und einem Bleistift ausgeführt und wies Kleckse und Striche in Pastelltönen auf. »Wirkt irgendetwas davon vertraut?«
Unwillkürlich legte Ginny den Kopf schräg und betrachtete die erste Zeichnung. Tiadba, schoss es ihr durch den Kopf. Es fiel ihr schwer, sich zu erinnern. Ein Wort, ein Name … meine
Besucherin. Tiadba hat diese Gebilde gesehen. Sie ähneln Schiffen, die durch schwere See pflügen. Alle drei müssen riesig sein, was sie auch darstellen mögen. Und jetzt bedauert Tiadba, dass sie diese schützenden Bauten je verlassen hat.
»Bedeutet das ein Ja?« Miriams Augen funkelten. Als sie das nächste Blatt auslegte, schlug Ginny sich die Hand vor den Mund und wandte den Blick ab. Was jemand hier grob, aber zielstrebig skizziert hatte, war das Letzte, was sie zu sehen wünschte. Ein riesiger Kopf, der auf einem bizarren Gestell über einer schwarzen Hügellandschaft thronte. Winzige flüchtende Gestalten gaben ihm Perspektive. Der Kopf war so groß wie ein Berg. Das einzige runde Auge in diesem Schädel war ohne jeden Ausdruck auf einen fernen Punkt fixiert und schickte einen grellen grauen Lichtstrahl aus, der durch Rauch und Nebel schnitt. Der tiefe Seufzer, der aus Ginnys Kehle drang, verwandelte sich in einen Hustenanfall.
Der Zeuge.
»Armes Kind«, sagte Farrah. »Hol ihr Wasser, Conan.«
»Tut mir leid«, bemerkte Miriam. »Sieht wirklich makaber aus, nicht? Ich wünschte, wir könnten all diese Mosaiksteinchen zusammenfügen. Wir haben diese Dinge ja nie mit eigenen Augen gesehen.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Ginny. »Nicht persönlich, meine ich.«
»Aber in deinen Träumen. Bist du je dem jungen Mann begegnet, der das hier gezeichnet hat?«, fragte Bidewell.
Ginny schüttelte den Kopf. »Ist er derjenige, den sie jetzt jagen?«
»Das hoffen wir nicht«, sagte Miriam. »Meine Damen …«
Alle standen auf.
»Sie müssen mit uns kommen«, teilte Ellen Ginny mit. »Conan wird wie immer die Stellung im Lagerhaus halten.«
»Mir bleibt ja keine andere Wahl«, erklärte Bidewell.
»Wohin mitkommen?«, fragte Ginny und sah von einer zur anderen.
»Wir folgen dem Sturm«, antwortete Miriam. »Orientieren uns an den Blitzen. Es wird noch schlimmer werden, und niemand weiß, was dieser junge Mann tun wird. Falls er so
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