Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
über den Boden verteilte und darauf rotgoldene
Vielecke hinterließ – rituelle Symbole, die so alt waren wie das hoheitliche Amt des Astyanax. Sie ordneten sich so, dass sie dem Hüter den Weg zu einer einfachen Tür wiesen. Ghentun wusste, dass dahinter die Privatquartiere und Diensträume des Astyanax lagen. Zum ersten Mal wurde dem Hüter der Ebenen ein Treffen mit dem Letzten aller Stadtfürsten in dessen Allerheiligstem gewährt.

40
Die Ebenen
    Von der Expedition kehrten sie mit der schwachen Ausbeute von drei Büchern zurück – und alle hatte Tiadba gefunden. Khren und die anderen hatten sich nach wenigen Stunden verabschiedet, um sich anderen Vergnügungen zu widmen.
    Jebrassy begleitete Tiadba in ihre Nische. Dort breitete sie die Schütteltücher und Graynes Umhang auf einem Tisch aus und stellte die drei Gefäße auf, in denen es von ausgeborgten Buchstabenkäfern wimmelte.
    Leicht eingeschüchtert von diesen Vorbereitungen, hielt sich Jebrassy im Hintergrund. Nie hätte er gedacht, dass Buchstabenkäfer von großem Nutzen sein könnten; früher hatte er diejenigen, die sie züchteten und mit ihnen handelten, sogar verachtet. Und jetzt setzten er und Tiadba die Käfer dazu ein, ein echtes Buch in uralter Sprache zu entschlüsseln. Er war ja nicht abergläubisch, doch es kam ihm so vor, als dränge sich hier allzu viel Gespenstisches aus der Vergangenheit auf engem Raum zusammen.
    Jenseits des Nischenvorbaus verbreitete sich bereits das erste orangefarbene Licht einer neuen Wachphase über den künstlichen Himmel.
    Tiadba sah stolz auf die Gefäße und Bücher hinunter. »Meine Hortgefährten wollten immer schon wissen, was ihre alten Buchstabenkäfer zu sagen haben.« Mit strahlendem Gesicht blickte sie zu Jebrassy, der im Schatten stand.
    »Wie lange wird es dauern?«, fragte er.
    »Bis zum Marsch bleiben uns noch knapp zehn Schlaf- und Wachzyklen. Und falls wir auf den Schlaf verzichten …« Sie berührte den feinen Pelz auf ihrer Nase und bedachte ihn mit einem leicht spöttischen Pfiff. »Hast du etwa Angst, Krieger? «
    »Das kannst du laut sagen. Und du solltest auch Angst haben.«
    »Wir haben schon so viel zusammen unternommen und erlebt. Haben sogar unsere Bücher gefunden.«
    »Du hast deine Bücher gefunden«, korrigierte Jebrassy sie.
    »Man wird uns für einen Marsch ausbilden. Was wollen wir denn mehr? Und was sollte uns jetzt noch Angst machen?«
    Tiadba befestigte das Schütteltuch an der Wand; es wies bereits die allgemein gebräuchlichen Symbole und Wörter auf, die jüngere Buchstabenkäfer am häufigsten erzeugten. Tiadbas und Jebrassys Aufgabe würde darin bestehen, die Wörter zu notieren, die die alten Buchstabenkäfer aus den unbekannten Buchstaben bildeten, und sie mit den neuen zu vergleichen, Ähnlichkeiten festzustellen und entsprechend zu übersetzen. Vielleicht würden sie es auf diese Weise schaffen, die Texte – wie vor ihnen Grayne und deren Schwesternschaft – zu entschlüsseln.
    »Allerdings werden die Bücher uns leider nicht verraten, was sich heute da draußen befindet«, bemerkte Tiadba. »Das hat dein Besucher letzte Nacht gesagt.«
    »Und was hat mein Besucher sonst noch gesagt?«, fragte Jebrassy mit finsterer Miene. »Hast du mit ihm geschlafen?«
    »Eine Frage nach der anderen.« Tiadba griff sich an beide Ohren. Diese überhebliche, lehrerhafte Geste konnte Jebrassy von allen Eigenheiten dieser Flamme am wenigsten ausstehen. Das Problem war nur, dass er ihre anderen Gesten und Berührungen nur allzu sehr mochte. Es gab kein Zurück – Besucher und Bücher hin oder her.
    »Er hat nur sehr wenig gesagt. War nicht gerade gut aufgelegt. Offenbar steckt er in seiner Welt in Schwierigkeiten. Er muss sich zurzeit mit einer komplizierten Sache auseinandersetzen. Und nein, wir haben nicht miteinander geschlafen. Dazu ist man ja viel zu verwirrt, wenn man den Körper mit einer anderen Person teilt. Er hat gesagt, dass die Bücher von einer Reise weit außerhalb der Kalpa handeln, einer Reise zu den Sternen , was das auch heißen mag.«
    »Ich hab’s allmählich satt, einfach so übernommen zu werden«, erklärte Jebrassy. Er gebrauchte die übliche Bezeichnung dafür, dass jemand eine fremde Nische ohne Erlaubnis besetzte. »Und noch mehr ärgert mich, dass ich keine Ahnung habe, was bei seinen Besuchen passiert.« Er hob seinen Schurz an und nahm auf einem Hocker neben dem Tisch Platz. »Meinetwegen kann er im Abflusskanal verschwinden. Verteil die

Weitere Kostenlose Bücher