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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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fortwünschte. Marysa Markwardt saß nun schon mehr seit einer Woche in der Acht. Die Schöffen hatten den Prozess zwar vertagt, bis die Kirmes vorbei war, doch das änderte nichts daran, dass sie das Schlimmste erwartete. Er war sich ganz sicher, dass es so kommen würde. Der Domherr würde nicht zulassen, dass sie davonkam, auch wenn die Schreinerzunft mittlerweile schon mehr als zehn Bürgen zum Stadtrat geschickt hatte und Marysas Schwiegervater auch sonst alle Hebel in Bewegung setzte, um ihren guten Leumund zu beweisen. Wenn es allein nach den Schöffen ginge, würden sie ihr vielleicht Glauben schenken, aber das Marienstift hatte zu große Macht. Und noch schlimmer: Es hatte einen falschen Zeugen.
    Verzweifelt schloss der Priester die Augen und flehte die Jungfrau Maria um Kraft und Erleuchtung an. Konnte er es wirklich zulassen, dass man Marysa wegen etwas verurteilte, das sie nicht getan hatte?
    Vom Portal der Kirche her hörte er plötzlich Stimmen näher kommen. Eine davon gehörte dem Domherrn, die andere kannte er nicht.
    Was suchte der Domherr hier? Rasch schlug er seine Kapuze über den Kopf und tat, als sei er tief ins Gebet vertieft. Die Stimmen kamen näher, und er hörte, dass sich die Männer über ihn unterhielten. Seine Hände, die er gefaltet hielt, verkrampften sich ineinander.
    Nur knapp hinter ihm blieb der Domherr stehen und sagte in aufgeräumtem Tonfall: «Aha, Ignatius, da bist du ja!»

38. Kapitel
    U nruhig wanderte Marysa in der Zelle auf und ab. Es war inzwischen Samstag, der vorletzte Tag der Kirmes. Zwar hatte man sie seit der ersten Befragung nicht mehr behelligt, doch aus den Andeutungen der Wachtmänner und dem, was ihre Mutter ihr bei ihren Besuchen erzählte, wurde deutlich, dass die Schöffen nur bis zum Ende der Kirmes warteten, um dann den Prozess gegen sie zu eröffnen. Weder die Beschwerde ihres Schwiegervaters noch die fast schon in Scharen aufgeführten Bürgen der Zunft hatten sie bewogen, Marysa aus der Haft zu entlassen. Die Aussage des falschen Theophilus wog einfach zu schwer. Warum konnte man den Schöffen nicht einfach sagen, dass der Mann ein Betrüger war?
    Marysa blieb vor dem Fenster stehen und presste ihr Gesicht gegen die Gitterstäbe. Es war bereits später Nachmittag, und die ärgste Hitze hatte nachgelassen. Sie konnte die Scharen von Pilgern überblicken, die auch heute den Kaxhof bevölkerten. Erst ab Montag würden sich die Straßen Aachens langsam leeren und das normale Leben wieder Einzug halten. Die Gaukler und Fernkaufleute würden ebenfalls ihre Sachen packen und zum nächsten Jahrmarkt weiterziehen. Vielleicht nach Bonn oder hinüber nach Maastricht.
    Natürlich konnte man nicht einfach behaupten, dass der Mann nicht Theophilus war. Man musste Beweise bringen. Und wie sie Scheiffart einschätzte, hatte er dafür gesorgt, dass der falsche Theophilus seine Herkunft bis ins Detail nachweisen konnte. Er würde gewiss keinerlei Risiko eingehen.
    Bruder Christophorus war seit jenem peinlichen Vorfall, ihrem Weinkrampf, nicht mehr aufgetaucht. Offenbar hatte er ihre Aufforderung zu verschwinden wörtlich genommen. Sie biss sich auf die Unterlippe. Was, wenn er aufgegeben hatte? Wenn er ihr nun nicht mehr helfen wollte? Sosehr es sie auch erzürnte, er war tatsächlich der Einzige, dem sie zutraute, Licht in die Geschehnisse zu bringen.
    So undurchsichtig seine Person ihr auch erschien, er war ein kluger Mann – und er war Inquisitor, verdammt nochmal! Er hatte Einfluss. Und er war auf ihrer Seite gewesen.
    Marysa wollte sich gerade resigniert vom Fenster abwenden, als eine Bewegung auf dem Kaxhof ihre Aufmerksamkeit weckte. Da kam jemand auf die Acht zu. Ein Mann in der weißen Kutte der Dominikaner.
    Ihr Herz begann schneller zu schlagen, was sie ärgerte. Doch sie hatte sich nicht getäuscht. Es war Bruder Christophorus.
***
    Als er die kleine Zelle betrat, war Christophorus sehr erleichtert, Marysa wohlauf vorzufinden. Sie trug inzwischen ein hässliches ockerfarbenes Kleid – wahrscheinlich hatte ihre Mutter es ihr gebracht – und eine saubere und ordentlich gebundene Haube, unter der nicht die winzigste Strähne ihres wunderbaren Haars hervorblitzte.
    Sie schien ihn erwartet zu haben, denn sie trat ihm ohne ersichtliche Überraschung entgegen und grüßte ihn mit sehr gefasster Stimme. Vermutlich hatte sie ihn durch das Fenster gesehen.
    «Auch wenn ich es nur ungern zugebe – ich bin froh, Euch zu sehen.» Marysa versuchte ein Lächeln, ließ

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