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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Hier herrschte noch nicht so viel Trubel; die meisten Pilger drängten zum Markt und zum Dom hin. Doch dorthin wollte auch er, denn das Zunfthaus lag in der Kreme. Er ging beschwingt voran, in Gedanken ganz bei seiner zukünftigen Gemahlin, als von irgendwo vor ihm Warnrufe und Hufgetrappel laut wurden. Zwei berittene Geistliche in dunklen Kapuzenmänteln kamen im schnellen Trab die Straße herauf. Da von hinten gerade ein mit Säcken beladenes Ochsenfuhrwerk an Bardolf vorbeizog, konnte er den Reitern nicht ausweichen und blieb stehen.
    «Vorsicht, weg da!», rief der Ältere von ihnen mit heiserer Stimme. Im nächsten Moment streifte der Stiefel des Klerikers Bardolfs Oberarm. Ohne sich jedoch weiter umzusehen, ritten die zwei Männer weiter in Richtung Ponttor und trieben ihre Pferde sogar zu einer noch schnelleren Gangart an.
    Bardolf fluchte und rieb sich den Arm. Gleichzeitig drehte er sich nach den beiden um und starrte ihnen irritiert nach. Hatte er diese merkwürdige Stimme nicht schon einmal irgendwo gehört?
    «Ihr solltet den Weg frei machen, Meister Goldschläger. Da kommen noch mehr Fuhrwerke.»
    Bardolf wandte den Kopf und sah den Dominikaner, den er bei Jolándas Tochter kennengelernt hatte, auf sich zukommen. Lächelnd trat er ihm entgegen. «Ihr habt recht. Ich hatte auch nicht vor, hier zu verweilen. Bruder Christophorus, nicht wahr?»
    Der Ablasskrämer verneigte sich leicht. «Mir scheint, Aachen gleicht derzeit einem Tollhaus, wenn selbst die Kleriker hoch zu Ross aus der Stadt flüchten.»
    Bardolf nickte. «Sieht so aus. Und wie gehen Eure Geschäfte? Ich hätte erwartet, Euch eher auf dem Parvisch anzutreffen oder beim Markt.»
    «Ich bin auf dem Weg dorthin», antwortete Christophorus. «Ärgerlicherweise ging mir vorhin die Tinte aus, und ich musste neue besorgen.»
    «Ah, daraus schließe ich auf sehr gute Geschäfte», meinte Bardolf und lachte. «Ich habe bislang noch niemals einen Ablasshändler gekannt. Und ich muss zugeben, dass mir die geballte Macht an Sündenvergebung, die Ihr tagtäglich mit Euch herumtragt, etwas unheimlich ist.»
    «Mir geht es ganz ähnlich», gab Christophorus unumwunden zu. «Aber ich tröste mich damit, dass ich den Menschen ja immerhin die Hoffnung auf ein angenehmes Dasein im Jenseits verschaffe. Ob sie sich dann auch erfüllt, überlasse ich jedoch ganz unserem Herrn und Vater im Himmel.»
    Bardolf musterte den Dominikaner überrascht. «Eure Ansichten klingen in meinen Ohren reichlich ketzerisch.»
    Christophorus lachte leise. «In meinen Ohren auch, glaubt mir das. Aber wenn man lange genug in diesem Gewerbe durch die Lande zieht, eignet man sich mit der Zeit eine recht kritische Sichtweise auf die Geschicke der Menschen an … oder aber man wird fanatisch. Beides ist auf seine eigene Weise durchaus gefährlich.»
    Die beiden Männer waren inzwischen zum Augustinerbach abgebogen und näherten sich dem Marktplatz. Bardolf blieb stehen, um eine Horde schmutziger und zerlumpter Gassenkinder vorbeizulassen, die hinter einem struppigen Hund herrannten.
    «Jetzt begreife ich langsam, warum Marysa Euch so misstraut», stellte Bardolf fest. «Ihr erscheint mit Euren Ansichten für das, was Ihr als Ablasskrämer und Inquisitor verkörpert, äußerst befremdlich.»
    «Weil ich den Erwartungen, die man an einen Mann in meiner Position stellt, nicht gerecht werde?»
    Bardolf schüttelte den Kopf. «So würde ich es nicht ausdrücken. Ich denke, Ihr werdet Eurer Position sehr wohl gerecht, und dennoch entsprecht Ihr nicht den Erwartungen, die man an einen gestrengen Diener Gottes hat. Ich hoffe, ich trete Euch nicht zu nahe, wenn ich dies äußere.»
    Christophorus lachte wieder. «Ganz gewiss nicht. Ich unterhalte mich gern mit Euch. Was allerdings den gestrengen Diener angeht, so wundere ich mich doch sehr, dass Glaubensfestigkeit für die meisten Menschen grundsätzlich mit einem sauertöpfischen Gemüt einhergehen muss. Auch wenn es Euch überrascht – ich lebe sehr gerne. Und ich glaube nicht, dass Gott es mir übel nimmt, wenn ich sein Wort den Menschen frohgemut verkünde. Zu bedauern und zu büßen haben die meisten Leute schon genug, ohne dass ich ihnen mit grausigen Geschichten über das Fegefeuer Angst einjage.»
    Bardolf ging weiter und schwieg nachdenklich. Dann meinte er stirnrunzelnd: «Aber ist es nicht genau das, was ein Ablasskrämer tun muss? Die Menschen so sehr in Angst vor dem Zorn des Allmächtigen zu versetzen, dass sie gewillt sind, einen

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