Die Stadt der Heiligen (German Edition)
sprechen.»
«Ich gehe zu ihm!» Enno drängte sich an Imela vorbei, noch ehe Marysa reagieren konnte. Rasch stand sie auf und folgte ihrem Schwiegervater hinauf in die Schlafkammer, wo der Bader noch immer dabei war, Reinold zu versorgen.
Als Enno und Marysa die Kammer betraten, richtete er sich mit besorgter Miene auf. «Es geht ihm schlecht», sagte er ohne Einleitung. «Ich konnte die Blutung zum Stillstand bringen, aber man weiß nie, ob da innere Wunden sind, die weiterbluten.» Mitleidig sah er Marysa an. «Ich rate Euch, holt den Pfarrer.»
Marysa spürte alles Blut aus ihren Wangen weichen. Einen langen Moment starrte sie auf ihren Gemahl, dann ging sie zur Tür und rief nach Grimold. Mit wenigen Worten befahl sie ihm, Vater Ignatius herbeizuholen.
«Können wir denn gar nichts tun?» Auch Enno war sehr blass und stand unschlüssig neben dem Bett herum.
«Doch, es gibt etwas, was wir versuchen können», sagte Meister Langhäuser nachdenklich und strich seine blutbefleckte Lederschürze glatt. «Ich werde zu Meister Engels, dem Apotheker, gehen und ihn eine Arznei mischen lassen. Daraus kocht einen Sud, und wenn Meister Markwardt aufwacht, gebt ihr ihm so viel wie möglich davon zu trinken. Das kann die inneren Blutungen hemmen.»
«Dann tut das in Gottes Namen!» Enno trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. «Und beeilt Euch, verdammt nochmal!» Er wandte sich an Marysa. «Warum hast du nicht Magister Mertin Bertholff kommen lassen? Der Medicus weiß vielleicht mehr …»
«Magister Bertholff ist zurzeit nicht in der Stadt», erklärte der Bader. «Er wurde zu einem kranken Verwandten nach Kornelimünster gerufen. Aber ich versichere Euch, dass er auch nicht mehr würde tun können. Ich habe mit einem Stab nachgemessen. Der Dolch wurde Eurem Sohn eine ganze Handspanne tief in den Leib gestoßen. Und noch dazu schräg aufwärts. Wer das getan hat, wollte nicht, dass Meister Markwardt den Überfall überlebt. Ich habe in den vielen Jahren, die ich mein Gewerbe nun betreibe, solche Wunden schon oft gesehen. Wenn die inneren Verletzungen zu groß sind, können weder ich noch der Medicus etwas für ihn tun.»
«Verdammt noch eins! Dann geht endlich und holt diese Arznei!», fluchte Enno.
Marysa winkte dem Bader. «Kommt, ich bringe Euch zur Tür. Wie lange wird es dauern, bis wir die Arznei bekommen?», fragte sie, als sie die Werkstatt erreicht hatten.
Meister Langhäuser tätschelte ihr beruhigend den Arm. «Nicht lange. Ich gehe sofort zu Meister Engels. Es wird nicht mehr als eine halbe Stunde dauern. Betet inzwischen dafür, dass Euer Gemahl das Bewusstsein zurückerlangt. Je früher er die Arznei einnimmt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch wirkt.»
Marysa nickte und ließ den Bader hinaus. Dann eilte sie wieder zurück in die Schlafkammer. Enno stand noch immer vor dem Bett und starrte auf seinen Sohn hinab. Als er sie hörte, wandte er sich um.
«Und du glaubst also, jemand von Scheiffarts Leuten habe das getan?»
Marysa ließ sich auf die Bettkante sinken und legte ihre Hand über die Reinolds. Sie fühlte sich kalt an. Sein Atem ging in rasselnden Stößen. «Ich kann es nicht beweisen», sagte sie und fühlte sich vollkommen leer. «Aber ich kann einfach nicht an einen Zufall glauben. Auch Klas wurde heimtückisch ermordet. Und Theophilus ist in die Stadt zurückgekehrt. Reinold hat mit ihm gesprochen.»
«Was hat er?»
«Er hat ihm aufgelauert und ihm einen Handel vorgeschlagen. Theophilus sollte von nun an für Reinold arbeiten und ihm helfen, Scheiffart bei den Schöffen zu verraten.»
«Und darauf ist er eingegangen?» Verblüfft rieb sich Enno die Stirn. «Davon wusste ich nichts.»
«Reinold hat ihm eine Beteiligung am Gewinn versprochen», erklärte Marysa. «Er behauptete, Theophilus sei damit einverstanden gewesen.» Sie hob den Kopf wieder. «Aber was ist, wenn dieser Augustiner ein falsches Spiel mit Reinold getrieben hat? Was, wenn er in Wirklichkeit noch immer für Scheiffart arbeitet? Dann hat er vielleicht in dessen Auftrag Reinold zur Kreme gelockt und dort niedergestochen.»
«Du musst dich täuschen, Marysa», rief Enno. «Du kannst nicht einfach wilde Verdächtigungen aussprechen.»
Marysa sah ihn entsetzt an. «Herr Schwiegervater, das tue ich doch gar nicht.»
«Doch, das tust du. Glaub mir, wenn es auch nur den kleinsten Hinweis gäbe, dass Scheiffart oder dieser Theophilus für das hier verantwortlich sind … dann gnade ihnen
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