Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
ihre Zuversicht zu schwinden begann. Es gab keinen Ort auf dieser Welt, an den sie gehen konnten.
An jedem Gegenstand, an dem sie vorbei ging, verharrte sie einen Moment in stiller Trauer. Als sie die Treppe in die Küche hinunter stieg und die Stufen unter ihren Füßen vertraut knarrten, schloss sie kurz die Augen und dachte daran, dass sie nun auch dieses Stück Heimat für immer verlassen musste. Sie lehnte sich an die Wand und kämpfte die Tränen hinunter. In ihrer Erinnerung saß sie wieder in einem rumpelnden Wagen, auf der Ladefläche und sah nach hinten in den dunkler werdenden Himmel. Die vertraute Gestalt des Turmberges mit der Burg auf seiner Spitze, der sich hinter der Stadt erhob und ein steter Begleiter auf all ihren Wegen in Corona gewesen war, wurde immer kleiner. Die Berge, die sich hinter ihm erhoben, wurden immer größer. Sie starrte so lange auf den schrumpfenden Punkt, bis die Nacht herauf zog und die gesamte Umgebung verschlang. Als sie im ersten Morgengrauen mit schweren Gliedern und verquollenen Augen aufwachte, war von dem Ort ihrer Kindheit nichts mehr zu sehen. Nur in ihren Träumen sah sie noch manchmal die waldbewachsenen Hänge, die hinter der Stadtmauer empor wuchsen.
Die Tür vom Schuppen schnappte ins Schloss und riss sie aus ihren Gedanken. Feodor kam wie immer durch den Garten in die Küche und blieb kurz hinter der Tür stehen. Schweigend sahen sie sich an.
„Es tut mir leid“, flüsterte Phine schließlich.
Feodor schnaubte. „Es muss dir nicht leidtun. Soweit ich das sehen konnte, ist dir doch gelungen, was du vor hattest.“
„Ja. Ich wünschte nur, ich könnte mich darüber freuen. Glaubst du, er weiß wirklich, wo wir sind?“
„Hat er das gesagt?“
„Hast du ihn nicht gehört?“
Feodor schüttelte den Kopf. „Ich konnte nur sehen, wie der Teich sich veränderte, wie er mal aufgewühlt, mal glatt, mal dunkel und dann wieder voll Licht war. Und dann waren plötzlich alle Lichter weg und es war nur noch eine dunkle, brodelnde Masse. Gleichzeitig warst du fassungslos und Lume´tai …“
Phine senkte den Kopf. „Er sagte, dass er weiß, wo wir sind. Er sagte, dass er uns vernichten wird.“
„Noch heute Nacht werden wir in den Wald gehen, dann weiß er nicht mehr, wo wir sind.“
„In den Alten Wald?“, fragte Phine ungläubig. „Laufen wir ihm dort nicht direkt in die Arme?“
„Ich vertraue fest darauf, dass der düstere Wald den Zauberer nicht mag. Ob er mich mag, weiß ich nicht, aber er wird euch mögen und ganz sicher mag er Lumi.“
Phine nickte. „Wahrscheinlich hast du Recht. Wir könnten im Wald nach Süden gehen. Vielleicht finden wir dort in irgendeinem Gotteshaus Zuflucht.“
„Der Handwagen steht bereit, wenn wir ihn beladen haben, wecken wir die Kinder. In einer Stunde ist Wachablösung am Tor, bis dahin müssen wir die Stadt verlassen haben.“
„Wer steht am Tor?“, fragte Phine.
„Ruben.“
Phine nickte. „Gut“, murmelte sie. „Dann schiebe ich der Nachbarin noch einen Zettel unter die Türe. Wenn es gut läuft, gibt es frühestens am Montag Gerede in der Stadt.“
„Glaubst du wirklich, dass der Zauberer auf das Gerede der Menschen achtet?“
Phine zuckte mit den Schultern. „Vielleicht muss er das, wenn er herausfinden will, wer des Nachts am Teich war.“
Sie packten die Sachen zusammen und trugen sie in den Schuppen. Als Feodor die Plane des Wagens zurückschlug, starrte Phine einen Augenblick wie gebannt auf das Schwert und die beiden Bogen samt Pfeilen, die bereits auf der Ladefläche lagen. Dann stellte sie die Töpfe und Decken daneben und ging in den Keller, um Brot und Reis zu holen.
Es war unglaublich ruhig. Sie weckten die Kinder und die zogen sich an, ohne viele Fragen zu stellen. Dann brachen sie auf.
Phine schloss die Tür hinter sich. Zum letzten Mal.
Still gingen sie durch die nächtlichen Straßen hinunter zum Waldtor. Wie von Geisterhand öffnete es sich einen Spalt breit und schloss sich hinter ihnen wieder. Als der schwere Eisenriegel in seiner Halterung krachte, spürte Phine die Gänsehaut, die sich auf ihren Armen breitmachte und einen kalten Schauer, der ihr den Rücken hinunter lief. Wieder war ein Abschnitt ihres Lebens zu Ende, wieder stand sie heimatlos auf der Straße. Doch diesmal sah sie nicht zurück.
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Kaum merklich bewegten sich Ala´nas Augen unter ihren Liedern und sie spürte ihren leichten Druck. Zwischen ihren Fingern befand sich etwas Schmales, Raues. Ein Ast? Sie
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