Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
werden nicht im Wald wohnen.“ Feodor sprach so ruhig, als wäre es das Selbstverständlichste, nachts sein Haus zu verlassen und durch den Wald zu streifen. „Wir werden nur eine Weile durch den Wald gehen und ein neues Zuhause suchen.“
„Wir gehen nie mehr nach Hause zurück?“, fragte Jaris.
„Das hab ich dir doch gerade gesagt“, brummte Josua.
Jaden lief zu seiner Mutter und steckte seine kleine Hand in ihre. Phine drückte sie sanft. „Ich hab Angst vor dem Wald“, flüsterte er.
„Du musst keine Angst haben. Der Wald mag nur böse Menschen nicht.“ Jacob strubbelte seinem Bruder durch die Haare.
Sie kämpften sich durch das Unterholz. Johann half seinem Vater den Wagen ziehen, Jacob schob von hinten. Jaris gab Josua die Hand und Phine ging mit Jaden. Trotz der Dunkelheit schien Feodor genau zu wissen, wohin er gehen musste. Zielstrebig bahnte er sich seinen Weg. Er achtete nicht auf die Dornen und Sträucher, die ihm den Weg versperrten und wenn Johann einen leichteren Weg fand, dann verschmähte er ihn absichtlich und steuerte das nächste Dickicht an. Der Himmel wurde langsam grau und die Vögel begannen in den kahlen Ästen zu singen.
Die beiden Kleinsten wurden müde. Sie nörgelten und weinten. Abwechselnd setzte Phine einen von ihnen auf den Wagen, aber auch bei ihr machte sich die schlaflose Nacht bemerkbar. Josua wimmerte leise, wenn ihm mal wieder ein Ast ins Gesicht peitschte oder sich eine Dornenranke in seinem Hosenbein verfing. Phine machte sich Vorwürfe, weil sie ihre Familie in eine solche Situation gebracht hatte.
„Wollen wir eine kurze Pause machen?“, fragte sie Feodor.
Er schüttelte den Kopf. „Jetzt noch nicht. Wir müssten bald drin sein.“
„Ich kann nicht mehr!“, riefen Jaris und Jaden im Chor.
„Wir sind alle müde“, antwortete Feodor, „aber ein kleines Stück müssen wir noch gehen.“ Er drehte sich um und lächelte aufmunternd. „Wisst ihr, was Theophil immer gemacht hat, wenn er in den Alten Wald gegangen ist? Ich werde es euch erzählen. Theophil hat gesagt, man muss den Alten Wald um Erlaubnis bitten, um ihn betreten zu dürfen. Immer, wenn er in den Wald gegangen ist, hatte er einen Wasserschlauch dabei. Er hat das Wasser mit den Bäumen geteilt und sie gebeten ihn einzulassen. Wenn die Bäume jemanden mögen, zeigen sie ihm die besten Schlafplätze und die saubersten Quellen. Der alte Wald beschützt die, die er mag und straft die, die ihm schaden.“
„Was ist, wenn er uns nicht mag?“, fragte Johann.
„Wie kann er euch nicht mögen? Ihr seid Kinder.“
„Der alte Kunrat mag auch keine Kinder. Die sind ihm zu laut und zu frech, sagt er“, gab Josua zu bedenken.
„Der alte Kunrat ist ein Griesgram“, erklärte Phine. „Der möchte bloß nicht, dass ihr Kinder wisst, was für ein weiches Herz er hat. Neulich habe ich ihn dabei erwischt, wie er mit Lumi herumgealbert hat. Er hat Grimassen gezogen und mit ihr um die Wette gebrabbelt. Als er mich sah, hat er ganz streng geschaut und behauptet, die Rotzgöre hätte ihm die Zunge herausgestreckt.“
„Lumi hat gar keine Rotze“, empörte sich Jaris.
Phine lachte. „Da hast du natürlich Recht -“, sie stockte.
Im ersten Morgenlicht sahen sie den Alten Wald. Trockenes Gras und Moos bedeckten den Waldboden zwischen den kräftigen Stämmen der Bäume. Durch ihre blätterlosen Kronen konnte man den Himmel sehen.
„Alter Wald, ich grüße dich!“, stammelte Phine ehrfurchtvoll. Die Bäume krächzten und knackten. Sie sprachen miteinander.
„Guten Morgen ihr Bäume. Wir kommen in friedlicher Absicht und hoffen für einige Tage eure Gäste sein zu dürfen.“ Feodor sprach mit klarer Stimme und sah seine Söhne aufmunternd an.
„Guten Morgen“, sagten Jaris und Jaden gemeinsam.
„Guten Morgen“, flüsterte Jacob.
„Grüß dich, Wald“, brummte Johann.
Josua stand mit offenem Mund da und staunte.
„Wenn du jetzt auch endlich was sagen würdest, könnten wir damit beginnen, uns einen Rastplatz zu suchen“, mahnte Feodor.
„Sie wissen, wer wir sind“, flüsterte Josua.
Johann lachte auf, aber Phine machte ihm ein Zeichen still zu sein.
„Ich höre sie sprechen, aber sie reden so komisch.“ Mit verklärtem, geistesabwesendem Gesicht stand Josua da und lauschte dem Knacken und Rauschen, dann lächelte er. „Danke, Herr Baum. Ich werde es ihnen ausrichten.“
Johann kicherte und selbst der Klaps den Phine ihm auf den Hinterkopf versetzte, konnte ihn nicht davon
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