Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
sich aus. Seine Macht beherrschte alles. Jeder, der sich ihm in den Weg stellte, musste sterben und die Wege ins Jenseits blieben versperrt. Schon jetzt verwehrten sie allen den Zutritt und ließen Geister in dieser Welt zurück.
Alrand´do verschloss sein Herz, aber sein Verstand litt schreckliche Qualen. Als die Bilderflut abebbte, lehnte er sich mit geschlossenen Augen an den rauen Stein. „Es ist nicht wahr“, murmelte er. „Es ist nicht wahr“, sagte er lauter. „Es ist nicht wahr!“, brüllte er und sprang auf. Er sah seinem Vater fest in die Augen. „Es ist nicht wahr! Frag Iri´te! Erst heute hat sie vor dem Tor von As´gard gearbeitet? Und schau hinaus“, er zog Rond´taro mit sich in die sternenklare Nacht. „Alles ist alles wieder so, wie vorher. Der Zauberer hat keine Macht mehr. Lass uns gehen und ihn endgültig vernichten. Kämpf an meiner Seite Vater!“
„Nicht um Macht kämpfen wir, nicht um Vergeltung …“
„Aber um unser Leben, um unsere Daseinsberechtigung auf dieser Welt. Zu lange waren wir friedlich. Wir wollten, dass man uns vergisst und trotzdem sind wir nicht vergessen worden. Ich bin es leid, dass uns keiner kennt und uns doch jeder jagt. Ich bin es leid, friedlich zu sein, denn keinen noch so kleinen Vorteil konnten wir aus der Friedfertigkeit ziehen. Wenn jetzt die Zeit der großen Kriege begonnen hat, will ich kämpfen, so wie es unsere Großväter und Großmütter taten. Kämpfe mit mir, Vater!“
„Ich sah sie sterben. Sie fielen zu meiner Linken und zu meiner Rechten. Sie fielen vor mir und hinter mir. Zu viele Opfer für ein Land, in dem wir nicht erwünscht sind.“
„Das bist nicht du Vater, der da redet. Mein Vater liebte dieses Land und die Menschen. Mein Vater wäre an einem Tag wie diesem auf dem Berg da oben gestanden und hätte dem Zauberer zugerufen, dass er seine Sachen packen kann. Mein Vater hätte an einem Tag wie diesem gefeiert und sich dann still an einen flüsternden Quell gesetzt und Ala´na gerufen. Der Nebel hat sich verzogen, das Wasser ist wieder frei. Sie wird uns finden! Aber Rond´taro wird sie vergebens suchen. Den Rond´taro, den sie kannte, kann ich unter uns nicht mehr sehen …“ Alrand´do atmete schwer. „Schau in die Zukunft, aber tu es hier unter den Sternen. Vergiss die Halle des Verderbens.“ Alrand´do stockte, denn er merkte, dass ihm Rond´taro nicht mehr zuhörte.
Gebannt starrte er auf den schwarzen Turm, der wie ein Loch im Firmament aussah. Unbändige Wut kochte in Alrand’do auf. Ein Schandfleck wie dieser musste beseitigt werden. Seine Wurzeln ragten bis ins Gebein der Erde. Alles was gut und schön gewesen war, zerstörte er und jetzt lag sein langer Schatten auf Rond´taro. Rond´taro, der Fels, seine Liebe die größte Macht, das schönste Geschenk. Seine Hoffnung, die alle mit Zuversicht erfüllte. Er war ein schimmernder Stern unter seinesgleichen. Ihn jetzt so mutlos und hoffnungslos zu sehen, ließ Alrand´do noch mehr schäumen. Der Schatten durfte keine Macht über ihn haben. Er brauchte seinen Vater gerade jetzt mehr denn je. Der Schatten durfte keine Macht über ihn haben!
Alrand´do spürte die Kraft in sich brodeln. Wie eine Welle stieg sie in ihm hoch und breitete sich in seinen Händen aus. Sie erreichte seine Stimme und er fand die Worte der Vernichtung. Der Himmel zog sich zu und Blitze zuckten auf den Turm nieder. Die Erde bäumte sich auf und spuckte rotglühende Brocken aus ihrem Inneren. Wiederholt krachte es, dann blieb es still.
Als Alrand´do sich wieder wahrnahm, standen alle um ihn. Der Turm auf dem Berg stand nicht mehr. Mendu’nor hüpfte auf dem Hügel herum, ehe er mit langen Schritten herunter zu den andern kam.
„Es sieht aus, als wäre ein Vulkan ausgebrochen. Auf der anderen Seite des Berges ergießt sich ein glühender Strom ins Tal.“
Alrand´do lächelte grimmig, drehte sich um und ging zurück in den Ratssaal. Als er an seiner Schwester vorbei kam, brummte er. „Jetzt habe ich aufgeräumt.“
Rina´la lachte silberhell. „Mein ganzes Leben warte ich auf den Tag, an dem du mal was aufräumst.“
Rond´taro starrte auf den Berg, bis der letzte Funkenregen verlosch. Er hatte es kommen sehen. Seit er unten am Gläsernen See Alrand´dos Wut gespürt hatte, wusste er, dass sein Sohn hier keinen Stein auf dem anderen lassen würde. Doch es nütze nichts, den Turm des Zauberers zu sprengen und die Halle der Erkenntnis der Natur zurückzugeben. Die Narbe würde bleiben.
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