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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Magd um, die Basses Wäsche flickte. «Irrst du dich auch nicht? Wollten sie wirklich nach Brüssel?»
    Diese Frage hatte Beelken ihm bereits dreimal beantwortet. Ruhig bestätigte sie, dass Pater Jakobus Griet schriftlich empfohlen habe, einen Gelehrten in der Stadt aufzusuchen, der etwas von alten Sprachen und Schriften verstand.
    «Geht es Euch nicht gut, Herr?» Beelken legte ihre Näharbeit weg. «Soll ich nach dem Arzt schicken?»
    Sinter verneinte mit verdrießlicher Miene. Es gab nichts, was ein Arzt für ihn tun konnte. An diesem Abend blieb er zu Hause und ging nicht ins Gasthaus. Beelken fragte sich, was seine Laune derart verdorben haben konnte, dass er keine Sehnsucht nach einem Würfelspiel und ein paar Bechern Wein verspürte. Aber da der Alte nicht preisgab, welche Stürme in seinem Kopf tobten, beschloss sie, sich wieder ihrer Arbeit zu widmen.
    Es war schon Schlafenszeit, als jemand kräftig gegen die Tür des Pförtnerhäuschens schlug. Sinter sprang auf und ging zur Tür.
    «Was gibt es?»
    Der Mann, der ergeben die Mütze zog und eine kleine Verbeugung andeutete, war Sinter fremd, doch gefährlich sah er nicht aus. Seiner Kluft nach gehörte er der städtischen Wache an. «Seid Ihr Sinter van den Dijcke, der Vater der Witwe Marx?»
    Sinter nickte misstrauisch.
    «Kapitän Ramirez, der Adjutant des Statthalters, schickt mich zu Euch. Er möchte Euch und die Jungfer Beelken, die in Eurem Haus wohnt, auf der Stelle sprechen.»
    Sinter erbleichte. Seit er in Oudenaarde war, hatte er es vermieden, Farnese unter die Augen zu kommen. Was hatte dieser Befehl zu bedeuten? Zum Statthalter wurde niemand zu so später Stunde beordert, wenn kein ernster Anlass vorlag. Sinter versuchte, den Boten auszuhorchen, doch seine Bemühungen scheiterten, da der Stadtwächter lediglich mit den Achseln zuckte.
    «Und mein Enkel?», murrte Sinter, während er umständlich seinen schwarzen Hut über die Ohren zog. «Wir können den Kleinen doch nicht allein zurücklassen.»
    Der Bote lächelte listig. «Dann nehmt ihn mit», sagte er. «Seine Hoheit wird schon wissen, was zu tun ist. Wahrscheinlich hat der Statthalter nur ein paar Fragen an Euch, dann seid Ihr bald wieder zurück.»
    Sinter nickte abwesend. Er ahnte, dass es bei dem Befehl um mehr als nur ein paar Fragen ging, aber er sah keine Möglichkeit, ihm aus dem Weg zu gehen. Möglicherweise hat Farnese nur erfahren, dass ich der Beamtenschaft von Brabant angehöre, beruhigte er sich. Als Statthalter ist er darauf angewiesen, dass seine Beamten ihn informieren. Diese Vermutung teilte er auch Beelken mit, die völlig verschreckt auf den Hof trat. Vor der Mauer warteten zwei weitere Männer, die Fackeln trugen. Sie nahmen Griets Vater und Beelken, die Basse an der Hand hielt, in ihre Mitte und durchschritten dann eilig das Tor. Auf der Straße begegneten sie niemandem. Nur von fern hörte Sinter Gelächter, das er dem verrückten Tyll zuschrieb.
    Sie waren die Straße ein Stück hinuntergegangen, als der Bote plötzlich die Hand hob und sich lauernd umblickte. «Halt!», rief er. Sinter stieß die Luft aus. Er witterte die Falle wie ein Reh, das den Jäger erspäht, aber es war zu spät. Er wollte Beelken zurufen, wegzulaufen, doch da wurde das zu Tode erschrockene Mädchen auch schon von Basse getrennt, der schrill aufschrie. Einer der Fackelträger schubste sie zu einem Heuwagen, der an der Straßenecke bereitstand. Sinter wollte helfen, spürte aber einen brennenden Schmerz im Genick, der ihn bewegungsunfähig machte. Dann hörte er einen weiteren, langgezogenen Schrei. Vor seinen Augen wurde es feuerrot. Er war noch bei Bewusstsein, als sein Körper an den Füßen über das schmutzige Pflaster geschleift, dann ruckartig angehoben und in weiches Heu geworfen wurde.
    Kurz darauf setzte sich der Wagen in Bewegung.

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    Kapitel 22
    Brüssel, November 1582
    Die Stadt war stark befestigt. Mit ihren Türmen, Zinnen und hohen Mauern glich sie einer Festung und machte auf Griet einen uneinnehmbaren Eindruck. Überall wimmelte es von Soldaten. Schon am Brabanter Stadttor kam es zu langen Wartezeiten, weil die Wächter jedermann, der Brüssel betreten wollte, umfangreichen Kontrollen aussetzten. Es wurde schon dunkel, als Griet ihren Pferdekarren endlich über den großen Marktplatz lenken konnte.
    Neben ihr reitend, schaute sich Don Luis nach allen Seiten um, als habe er vor, sich jeden Winkel einzuprägen. Ein Gefühl, zu Hause angekommen zu sein,

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