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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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dass jeder, der dieses Buch liest, sogleich die richtigen Worte findet, die man braucht, um Gottes Beistand zu gewinnen. Andererseits gibt es Hinweise, dass es zumindest in einem Fall gelungen sein muss, die Macht des Buches zu beschwören. Der unbekannte Pilger war von der Pest befallen, wurde aber wieder gesund.»
    Don Luis runzelte die Stirn. «Bernhild scheint nicht die richtigen Worte entdeckt zu haben, um sich gegen ihren Mörder zu wehren. Es regneten weder Steine vom Himmel, noch blieb die Sonne stehen. Ihr hat der Besitz des Buches nur Unglück gebracht.» Er sprach nicht aus, was er dachte, nämlich, dass er sich auch um Cäcilia Sorgen machte, die nichts oder nicht viel über die Macht des Buches wusste.
    «Begreift Ihr, warum das Buch des Aufrechten kein Teil unserer Heiligen Schrift wurde?», fragte Paulus Dorotheus. «Es wurde von Propheten niedergeschrieben, die Gott sich erwählt hatte. Keinesfalls gehören solch gefährliche Schriften wie das Buch in die Hände unbedarfter Pilger oder neugieriger Nonnen.» Er senkte den Blick. «Nicht einmal ich würde es wagen, das Buch zu öffnen.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 24
    Oudenaarde, November 1582
    De Lijs kochte vor Wut. Dass er in Pieter Rinks Druckerei nur den Gesellen antraf, dämpfte seinen Ärger auch nicht gerade. Sein Herr sei noch unterwegs, gab der Mann ihm wortkarg Auskunft.
    «Dann warte ich eben, ich muss mit deinem Meister reden.» De Lijs ließ sich auf einer Kiste nieder, auf der er jedoch nicht lange sitzen blieb. Zu groß war seine Ungeduld. «Hast du keinen Wein?», herrschte er den Mann an, der nichts anderes zu tun schien, als die winzigen Lettern in den Buchstabenkästen zu polieren. «Beim heiligen Nepomuk, in dieser Bude ist es so heiß und stickig, dass einem die Zunge im Mund verdorrt.»
    «Ihr seid doch Weinhändler», bemerkte Rinks Geselle spitz. «Schickt uns ein, zwei Fässchen von dem süffigen Roten, von dem die Spanier nicht genug bekommen können. Dann sitzt Ihr bei Eurem nächsten Besuch auch nicht auf dem Trockenen.»
    Dummkopf, dachte de Lijs. Er ging zum Fenster und starrte auf den menschenleeren Marktplatz hinaus. Es dunkelte bereits. Die Glocke der nahen Sint-Walburgakerk schlug zum siebten Mal. Ein paar Leute, vornehmlich alte Weiber, traten aus dem Kirchenportal und eilten über den Platz.
    «Na endlich», beschwerte sich der Weinhändler, als er die Werkstatttür hörte. «Wo hast du gesteckt? Ich warte seit Stunden auf dich.»
    «Dann muss ich dich übersehen haben, als ich vor zwanzig Minuten das Haus verließ, alter Freund», entgegnete Pieter Rink mit einem müden Lächeln. Von de Lijs’ schlechter Stimmung ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Gemächlich tauschte er Schlapphut und Spitzkragen gegen Lederschürze und Holzpantinen. «Der Rektor der Lateinschule hatte eine griechische Grammatik bestellt, die ich ihm gleich nach Fertigstellung ausliefern sollte. Du kennst den guten Mann, er ist einsam, seit ihm die Frau vorigen Winter gestorben ist.»
    De Lijs blickte den Drucker ungeduldig an. Rink hatte ihm zuzuhören, keinem geschwätzigen Magister. Ungehalten sagte er: «Gut, dass du wieder da bist. Ich muss mit dir reden, es ist wichtig.»
    Pieter Rinks Bedarf an schlechten Nachrichten war für diesen Tag eigentlich gedeckt, dennoch brachte er es nicht fertig, seinen Freund zu enttäuschen. Wenn de Lijs mit einer solchen Leichenbittermiene zu ihm kam, konnte es sich nur um etwas Unerfreuliches handeln. Er rief seinen Gehilfen und schickte ihn ins Gasthaus, damit er und de Lijs ungestört waren.
    «Sie haben mich betrogen», rief de Lijs, noch während Rink die Werkstatttür schloss. «Ist das zu fassen? Und nun sind beide auch noch verschwunden. Ich laufe mir die Hacken ab, aber niemand ist bereit, mir zu sagen, was geschehen ist. An die Spanier in der Garnison möchte ich mich natürlich nicht wenden.»
    Pieter Rink verstand kein Wort von dem, was de Lijs von sich gab. «Wer ist verschwunden?»
    «Adam und Coen! Die Schwachköpfe hatten den Auftrag, Griets Vater mitsamt Knaben und Magd in Gewahrsam zu nehmen. Sie sollten die drei in meinen Weinkeller sperren, um sie an einer Flucht aus der Stadt zu hindern. Ich befahl ihnen, die Leute gut zu behandeln. Sie sollten als Pfand dienen, verstehst du? Als kleine Sicherheit, damit Griet nach Oudenaarde zurückkehrt. Das wird sie auch tun, wenn sie nichts von ihrer Familie hört. Aber diese Erzschurken haben sich nicht an den Plan gehalten.»
    Pieter

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