Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
bin der, dessen Ankunft nicht einmal die Götter verhindern können.«
Nun, da er sah, dass er keine Wahl hatte, zeigte Evagh sich willens, dem fahlen Wurm Verehrung und Dienst zu geloben. Er folgte den Anweisungen von Dooni und Ux Loddhan und vollführte den siebenfachen Ritus, der an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden kann, und gelobte den dreifachen Eid unaussprechlicher Leibeigenschaft.
Danach segelte er viele Tage und Nächte mit Rlim Shaikorth die Küste von Mhu Thulan entlang. Sonderbar war diese Art des Reisens, denn es schien, dass der große Eisberg durch die Zauberkraft des Wurmes gelenkt wurde, die jeden Wind und jede Flut unterwarf. Und immerzu, bei Tag und bei Nacht, erstrahlte das kalte Licht von Yikilth wie das Leuchten eines tödlichen Signalfeuers. Stolze Galeeren wurden auf ihrer Flucht gen Süden eingeholt und ihre Mannschaften am Ruder getötet, und oftmals verschluckten die neuen Eismassen, die sich täglich um jenen stets größer werdenden Berg bildeten, die Schiffe.
Die prächtigen Hafenstädte Hyperboreas, erfüllt vom Seehandel, erstarben bei der Ankunft Rlim Shaikorths. Tot waren die Straßen und Kais, tot die Schiffe im Hafen, wenn das fahle Licht kam und ging. Bis weit ins Land fielen die Strahlen und brachten den Feldern und Gärten den Pesthauch arktischen Winters. Die Wälder gefroren, und die Tiere darin wurden zu Marmor, sodass Männer, die noch lange danach in jene Gegend kamen, den Elch, den Bär und das Mammut in allen Gesten des Lebens erstarrt vorfanden. Doch der Zauberer Evagh, der auf Yikilth lebte, spürte nichts von dem eisigen Tod. Er saß in seinem Haus oder wanderte auf dem Berg und war sich keiner Kälte bewusst, die größer war als jene, die in den Schatten des Sommers lauert.
Nun begleiteten außer Dooni und Ux Loddhan, den Magiern von Thulask, noch fünf weitere Zauberer Evagh auf dieser Reise, die Rlim Shaikorth auserwählt hatte. Auch diese waren der Kälte Yikilths angepasst worden, und ihre Häuser waren durch einen unbekannten Zauber auf den Eisberg versetzt worden. Es waren dies fremdartige und ungehobelte Männer, die Polarier genannt wurden und von Inseln stammten, die dem Pol noch näher waren als das große Reich Thulask. Evagh verstand nur wenig von ihren Sitten, und ihre Magie war ihm fremd, ihre Rede unverständlich. Auch die Thulaskaner kannten ihre Sprache nicht.
Täglich fanden die acht Magier auf ihren Tafeln alles, was der Mensch zur Nahrung braucht, doch sie wussten nicht, auf welche Art die Speisen herbeigeschafft wurden. Alle waren sie vereint in der Anbetung des weißen Wurms, und sie alle, so schien es, waren bis zu einem gewissen Maß zufrieden mit ihrem Los, und sie waren erpicht auf jene überirdische Weisheit und Macht, die der Wurm ihnen versprochen hatte. Doch Evagh verspürte Unbehagen in seinem Herzen und rebellierte insgeheim gegen die Ketten, die ihn an Rlim Shaikorth banden, und er wurde von Ekel erfüllt, wenn er sah, wie der Fluch Yikilths sich immer weiter auf liebliche Städte und fruchtbare Küsten erstreckte. Voller Reue sah er, wie das blumenreiche Cerngoth vernichtet wurde und wie das Eis des Nordens in die gedrängten Straßen Leqquans hinabstieg und wie der weiße Frost die Gärten und Haine des zur See gelegenen Tales von Aguil verheerte. Und Kummer breitete sich in seinem Herzen aus, als er die Schaluppen der Fischer und die Biremen des Handels und des Krieges sah, die nach der Zusammenkunft mit Yikilth unbemannt im Meere trieben.
Immer weiter südwärts segelte der große Eisberg und brachte seinen tödlichen Winter in Länder, in denen die Sommersonne hoch am Himmel stand. Und Evagh behielt seine Gefühle für sich und folgte in jeder Hinsicht dem Beispiel Doonis und Ux Loddhans und der anderen. Zu Zeitpunkten, die vom Stand der Polarsterne bestimmt wurden, stiegen die acht Hellseher hinauf in die Kammer, wo Rlim Shaikorth seit Urzeiten lebte, halb zusammengerollt auf seinem Podest aus Eis. Dort zollten sie ihm die verlangte Anbetung in einem Ritual, dessen Kadenzen mit dem Fallen jener Tränenaugen übereinstimmten, die der Wurm weinte, und ihr Kniefall war dem Öffnen und Schließen seines Mauls angepasst. Manchmal schwieg der Wurm, und manchmal sprach er zu ihnen und erneuerte in verschleiernden Worten die Versprechen, die er ihnen gegeben hatte. Und Evagh erfuhr von den anderen, dass der Wurm bei abnehmendem Mond immer eine Zeit lang schlief, und nur zu dieser Zeit fielen keine blutigen Tränen, und nur
Weitere Kostenlose Bücher