Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
dann hielt das Maul in seiner endlos gleichförmigen Bewegung inne.
Bei der dritten Durchführung der Anbetungsriten geschah es, dass nur sieben Zauberer zum Turm hochstiegen. Evagh, der nachzählte, erkannte, dass der fehlende Mann einer der fünf Fremden war. Später befragte er Dooni und Ux Loddhan darüber und versuchte auch, von den vier Nordlingen etwas zu erfahren, doch es schien, dass das Los des fehlenden Hellsehers für sie alle ein Rätsel darstellte. Von da an hörte und sah man nichts mehr von ihm, und Evagh, der lange und tief nachdachte, war irgendwie beunruhigt. Denn während der Zeremonie in der Turmkammer hatte er den Eindruck gewonnen, als sei der Wurm wuchtiger von Gestalt als je zuvor.
Heimlich fragte er, wovon Rlim Shaikorth sich denn nähre. Dies stiftete viel Verwirrung und Zweifel, denn Ux Loddhan behauptete, der Wurm nähre sich einzig von den Herzen der weißen Polarbären, während Dooni schwor, dass seine rechte Speise die Leber eines Wales sei. Doch ihres Wissens hatte der Wurm während ihres Bleibens auf Yikilth nichts gegessen, und beide waren der Ansicht, dass die Zeiten, in denen er nicht aß, länger währten als die jedes irdischen Geschöpfs und sich nicht in Stunden und Tagen, sondern in Jahren messen ließen.
Noch immer verfolgte der Eisberg seinen Kurs und wuchs immer höher der Sonne entgegen. Zu dem Zeitpunkt, den die Sterne festgelegt hatten, dem Vormittag jedes dritten Tages, versammelten die Zauberer sich in Rlim Shaikorths Gegenwart. Zu ihrer aller Verwunderung betrug ihre Zahl irgendwann nur noch sechs, und der fehlende Hellseher war wiederum einer der Fremden. Und der Wurm hatte erneut an Größe zugenommen, und das Wachstum war sichtbar an der Verdickung des ganzen Leibes, vom Kopf bis zum Schwanz.
Die sechs, die all dies für ein schlechtes Vorzeichen hielten, wandten sich flehentlich an den Wurm und baten ihn in ihrer jeweiligen Sprache, ihnen das Los ihrer abwesenden Gefährten zu enthüllen. Und der Wurm antwortete ihnen, und seine Rede war verständlich für Evagh und Ux Loddhan und Dooni und die drei Nordlinge, die alle glaubten, sie hätten ihn in seiner eigenen Sprache angesprochen.
»Dies ist ein Geheimnis, das euch allen nach und nach offenbart werden wird. Wisset dies: Die zwei, die verschwunden sind, sind noch immer hier, und sie werden ebenso wie ihr an der überweltlichen Weisheit und Macht Rlim Shaikorths teilhaben, wie ich es euch versprach.«
Nachdem sie den Turm verlassen hatten, erörterten Evagh und die beiden Thulaskaner die Bedeutung dieser Antwort. Evagh behauptete, diese Bedeutung sei eine unheilvolle, denn in Wahrheit seien ihre fehlenden Gefährten nur im Bauch des Wurms anwesend, doch die anderen meinten, diese Männer hätten eine mystische Umwandlung erfahren und seien nun den Blicken und Ohren der Menschen enthoben. Sogleich begannen sie sich mit Gebeten und Askese vorzubereiten, denn sie erwarteten nun eine erhabene Apotheose, die sie bald ereilen würde. Doch Evagh war noch immer von Furcht erfüllt, denn er konnte den zweideutigen Schwüren des Wurmes keinen Glauben schenken, und Zweifel befielen ihn weiterhin.
Er versuchte, seine Zweifel zu verdrängen und eine Spur der verschwundenen Polarier zu finden. Er suchte den gewaltigen Eisberg ab, auf dessen Zinnen sein eigenes Haus und jene der anderen Hellseher wie kleine Fischerhütten an Meeresklippen hingen. Die anderen wollten ihn auf dieser Suche nicht begleiten, da sie fürchteten, den Unmut des Wurmes auf sich zu ziehen. Ungehindert streifte Evagh von einem Rande Yikilths zum anderen, als ginge er durch eine Landschaft voller Hügel und Berge, und er kletterte auf gefährliche Steilhänge und stieg hinab in tiefe Gletscherspalten und Kavernen, wo die Sonne nicht hinreichte und es kein Licht gab, außer dem merkwürdigen Glanz jenes unirdischen Eises. In die Wände wie in unterirdische Gesteinsschichten eingeschlossen waren Wohnstätten, wie Menschen sie nicht hätten bauen können, und Schiffe, die in andere Zeiten oder andere Welten zu gehören schienen, und kein Geist und kein Schatten antwortete auf die nekromantischen Beschwörungen, die er vor sich hin murmelte, während er an den Spalten und Kammern vorbeiging.
Und so war Evagh noch immer besorgt wegen des Verrates des Wurms, und er beschloss, in der Nacht vor dem nächsten Ritus der Verehrung wach zu bleiben, und vor Anbruch dieser Nacht versicherte er sich, dass die anderen fünf Hellseher sich allesamt in ihren
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