Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
wenn sie keine solch völlige Umkehrung aller irdischen Verhältnisse und Normen darstellten, wie sie auf den noch weiter abgelegenen Welten an der Ordnung wären.
Einige Verwandte Zhothaqquahs aus seiner Göttersippe waren noch immer auf dem Planeten Cykranosh zu Hause und wurden von dessen Bewohnern verehrt. Und Zhothaqquah vertraute Eibon den beinah unaussprechlichen Namen des machtvollsten dieser Gottwesen an und erklärte dazu, dieser Name könnte dem Hexer als eine Art Kennwort von Nutzen sein, sollte dieser jemals gezwungen werden, nach Cykranosh auszuweichen.
Die Vorstellung eines Tores, das sich in eine ferne Welt auftat, kam Eibon reichlich fantastisch, um nicht zu sagen äußerst weit hergeholt vor. Allerdings hatte er Zhothaqquah als eine zu jeder Zeit und in allen Dingen strikt der Wahrheit verpflichtete Gottheit erlebt. Dennoch stellte er die einzigartigen Fähigkeiten des Paneels lange Zeit nicht auf die Probe. So lange nicht, bis Zhothaqquah – der ein wachsames Auge auf alles hielt, was unterhalb der Erdoberfläche geschah – ihn vor den Machenschaften Morghis und dem Ketzertribunal warnte, die in den Gewölben unter dem Tempel der Yhoundeh gegen ihn Gestalt gewannen.
Im Bewusstsein der großen Macht dieser frömmlerischen Neider entschied Eibon, dass es wenig ratsam, ja schiere Tollheit wäre, sich ihnen auszuliefern. Also entbot er Zhothaqquah ein knappes und dankerfülltes Lebewohl und packte ein wenig Brot, Fleisch und Wein zusammen, zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und stieg auf das Schreibpult. Sodann hob er das primitive Gemälde einer cykranothischen Landschaft an, zu der Zhothaqquah den urzeitlichen, halb menschlichen Künstler inspiriert hatte, und stieß das dahinter verborgen gewesene Paneel auf.
Und wirklich erkannte Eibon gleich auf den ersten Blick, dass Zhothaqquah ein Gott war, der die Wahrheit liebte: Denn die Szene, die das aufgestoßene Paneel seinen Augen erschloss, hätte sich auch in die exotischsten Gefilde Mhu Thulans oder einer anderen Erdgegend niemals gebührlich einfügen können. Was er sah, gefiel ihm gar nicht. Doch blieb ihm keine Wahl, sofern er nicht eine Zelle im Ketzerverlies der Göttin Yhoundeh vorzog. Und als er sich dann auch noch die verschiedenen ausgeklügelten und erlesen wirksamen Foltern vorstellte, die Morghi längst für ihn vorbereitet hatte, da setzte er mit einer Gelenkigkeit durch die Öffnung zum Planeten Cykranosh, die bei einem Hexenmeister in fortgeschrittenen Jahren fast schon nach magischer Verjüngung aussah.
Ein einziger Schritt nur – doch als Eibon zurückschaute, erblickte er nicht mehr die geringste Spur von dem Paneel oder von seiner eigenen Wohnstatt. Er selbst stand auf dem ascheartigen Boden eines lang gestreckten Hanges, über den ein zäher Strom abwärts rann, der statt Wasser ein flüssiges Metall zu führen schien, das an Quecksilber erinnerte. Der Strom entsprang den gewaltigen, unbezwingbaren Schründen und Zacken der darüber aufragenden Gebirgshöhen und ergoss sich in einen bergumkränzten See von der gleichen Flüssigkeit.
Auf dem Hang zu Eibons Füßen verliefen Reihen merkwürdiger Objekte – er vermochte nicht zu entscheiden, ob es sich um Bäume, mineralische Gebilde oder tierische Organismen handelte, da sie bestimmte Merkmale aller drei Kategorien in sich zu vereinen schienen. Diese widernatürliche Landschaft zeichnete sich in jeder Einzelheit erschreckend klar unter einem grünlich-schwarzen Himmel ab, den drei gigantische, hell strahlende Planeten-Ringe von Horizont zu Horizont umfingen. Die Luft war kalt und Eibon achtete nicht ihres schwefligen Gestanks noch des eigentümlich stechenden Gefühls, das diese Luft in seinen Atemwegen und in seiner Lunge hervorrief. Und nach den ersten Schritten auf dem unansehnlichen Untergrund bemerkte er, dass dieser Boden die hinderliche Bröckeligkeit gebackener Asche aufwies, die vom Regen durchweicht und anschließend unter der Sonne getrocknet war.
Er begann hangabwärts zu schreiten, wobei er halb und halb fürchtete, einige der zweifelhaften Objekte um ihn herum könnten ihre mineralischen Äste oder Arme ausstrecken, um ihn festzuhalten. Es schien sich bei den Gebilden um eine Art von purpurblauen Obsidian-Kakteen zu handeln, mit ›Gliedmaßen‹, die in furchterregende, krallenartige Dornen ausliefen, und mit ›Köpfen‹, die alles in allem zu komplex waren, um als Früchte oder Blüten gelten zu können. Sie rührten sich nicht, als er an ihnen
Weitere Kostenlose Bücher