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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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die Hässlichkeit sehen, denn die Angst vor dem Schmerz, der mit demVerlust von Liebe einhergeht, ist zu groß.
    Catcher hat recht gehabt auf dem Dach. Ich habe immer auf die Bewertung von allen möglichen anderen Leuten gewartet und gehofft, ihreWorte könnten dieWunden heilen, die durch meine Haut hindurch bis ins Herz gehen.
    »Ich weiß nicht«, antworte ich ihm ehrlich. Und ich füge nicht hinzu, dass ich es hoffe.
    »Wie kannst du dann von mir verlangen, mich nicht kaputt zu fühlen?«, sagt er. Ich will antworten, kann aber nicht. Denn ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll. Er hat recht, wie kann ich von ihm verlangen, sich selbst zu heilen, wo ich doch gar nicht weiß, ob so etwas überhaupt möglich ist.

30
    E lias und meine Schwester wollen nicht, dass ich dieWohnung verlasse. Ich verstehe ihre Angst. Schließlich haben die R ekruter genug Gründe, mir Ärger zu machen. Unter normalen Umständen hätte ich vielleicht auch auf sie gehört, aber ich bin nicht bereit, herumzusitzen und zu hoffen, dass jemand anders herausfindet, wie wir von der Insel wegkommen.
    Es muss noch einen anderen Ort geben, an den wir gehen können, denn ich sehe nicht ein, warum wir im Inneren Bereich bleiben sollten, wenn wir hier letztlich doch nicht sicher sind. Und ich fühle mich alles andere als sicher hier.
    EinenTag lang tun meine Schwester und ich, was Elias sagt, und bleiben im Bett. Meine Muskeln krampfen noch immer, wenn ich an die Eiseskälte der letzten Nacht denke, und Hände und Füße sind schmerzhaft geschwollen. Mein Kopf hämmert, und ich kann Essen nur schwer bei mir behalten, doch Elias ist hartnäckig, er will mich und meine Schwester wieder gesund machen.
    Lange nach Einbruch der Dunkelheit, als dieWohnung ruhig ist und ich sicher bin, dass alle schlafen, ziehe ich die Kleider an, die am Ofen steif getrocknet sind. Ich stecke mir Elias’ Machete in den Gürtel und schleiche dieTreppen hinunter, dabei schreie ich immer wieder leise auf, bis mein Körper sich wieder an Bewegung gewöhnt hat und die Schmerzen in den Gliedern nachlassen.
    Der Nachthimmel ist klar, Millionen winziger Lichter explodieren über mir – mehr Sterne, als es je Menschen auf derWelt gegeben haben kann.
    Elias war früher immer so fasziniert vomWeltraum. Ich weiß noch, wie ich einmal die Ersparnisse von Monaten gegen ein altes Buch mit Sternenkarten eingetauscht habe, das ich ihm zur Wintersonnenwende geschenkt habe. Es war die längste Nacht des Jahres, und er hatte die ganze Zeit auf dem Dach verbracht, zum Himmel gestarrt und das, was er dort sah, mit dem kleinen Buch auf seinem Schoß verglichen.
    Draußen war es eisig kalt, und ich hatte alleWolldecken, die wir besaßen, aufs Dach geschleppt. Während ich von einemTraum zum nächsten dämmerte, hat er mir Geschichten über Sterne vorgelesen, über die Ursprünge und die Sternbilder. Im Laufe der Jahre habe ich das meiste wieder vergessen, aber ein Detail wird mir immer im Gedächtnis bleiben: Er hat mir erzählt, wie lange das Licht braucht, bis es von den Sternen durch den Raum zu uns gelangt.
    Die meisten Lichtpunkte, die wir sehen, existieren schon nicht mehr. Es sind Überreste von dem, was einmal war, Geister derVergangenheit.
    Alles scheint so aussichtslos zu sein. So viele verschwendete Leben. Wir haben Hunderte von Jahren seit der R ückkehr damit zugebracht, die Dunkle Stadt zu schützen und zu versuchen, sie zu erhalten – Leben zusammenzukratzen, das bald ausgelöscht werden wird.
    Und wenn der R est derWelt längst untergegangen ist? Die Sterne funkeln vor sich hin, ihr Licht verblasst langsam. Irgendwo da draußen stirbt jetzt gerade ein Stern – und wir werden es nie erfahren. Irgendwo wird ein anderer geboren, dessen Licht wir niemals sehen werden.
    Die Erde wird sich weiterdrehen, die Sterne werden sich neu ordnen, dieWelt wird vonToten wimmeln, die einesTages im Nichts versinken, dann gibt es keine Menschen mehr, die sie wittern können, kein Fleisch, nach dem sie gieren . A lles, wir alle, werden einfach aufhören zu sein.
    Und sie werden letztlich nur Frieden finden, wenn wir alle tot sind.
    Meine Schritte hallen in den leeren Fluren des Hauptquartiers. Zuerst zucke ich bei jedem Geräusch zusammen und warte darauf, dass jemand um die Ecke kommt, mich entdeckt und Ärger macht . A ber es ist ein riesiges Gebäude mit einem Gewirr von Korridoren, und alle, die ich entlanggehe, sind staubig und unbenutzt.
    Im Kartenraum zünde ich ein paar Laternen an und

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