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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Augen auf. Er nahm dem Jungen die Pistole ab und gab sie mir.
    »Du übernimmst das Steuer«, sagte ich zu Andray. Ich vergaß zu fragen, ob er Auto fahren konnte. Er konnte es nicht. Er übernahm das Steuer trotzdem und stellte den Fuß aufs Gaspedal, und während der Truck in Schlangenlinien weiterraste, tauschten wir die Plätze.
    »Weg da«, sagte ich zu seinem Freund, und auch wir tauschten die Plätze, so dass ich ganz rechts saß.
    Andray versuchte zu fahren. Ich versuchte zu schießen. Ich duckte mich, fasste mir ein Herz, lehnte mich blitzschnell aus dem Fenster, zielte auf den Crown Victoria und schoss mehrmals. Als das Magazin leer war, zog ich mich in die Fahrerkabine zurück und hob schützend und gerade noch rechtzeitig die Arme über den Kopf; eine Kugel traf den Seitenspiegel und schleuderte Plastik- und Glassplitter gegen meine Unterarme und in meine Haare.
    Aber ich hatte getroffen. Die Vorderreifen des Crown Vic verloren Luft, aus dem Motorblock tropfte Flüssigkeit. Der Wagen geriet ins Schlingern und krachte in ein am Straßenrand geparktes Auto. Der Fahrer bremste und sprang aus dem Wagen, aber es war zu spät. Er würde uns nicht mehr erwischen. Und der Schütze war beileibe nicht gut genug, um uns aus dieser Entfernung zu treffen.
    Ich sah den Fahrer im Rückspiegel. Er war höchstens vierzehn Jahre alt. Er sah sauer aus, ganz im Gegensatz zum Schützen.
    Kein Mensch schoss so dermaßen schlecht. Er war bis auf drei Meter an Andray und dessen Freunde herangekommen.
    Er war kein Killer. Aber er hatte sich bemüht.
    Als wir den Garden District erreicht hatten, nahm Andray den Fuß vom Gas und ließ den Truck ausrollen. Ich beugte mich über den anderen Jungen und legte den Parkgang ein. Die Straße war still und menschenleer. Wir sahen einander an.
    Wir lachten. Einem Mordanschlag zu entgehen, löste die seltsamsten Gefühle aus.
    Ich wischte die Pistole sorgfältig an meinem T-Shirt ab und gab sie Andrays Freund zurück.
    »Scheiße«, sagte er.
    Ich nickte zustimmend.
    Wir lachten wieder.
    In der Ferne hörten wir Sirenen.
    »Verdammt«, sagte der Dreadlockjunge, »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    Vermutlich waren beide zur Fahndung ausgeschrieben. Ich tauschte Plätze mit Andray und fuhr in die Magazine Street. Ich kannte die Polizei von New Orleans. Falls sie überhaupt auf die Schießerei reagieren würden, dann nur mit einer kurzen Kontrollfahrt durchs Viertel. Und nach einer Schießerei zwischen verfeindeten Gangs in Central City würden sie kaum eine Weiße verhaften. Und auch sonst nicht. Ich fragte Dreadlock, wo er abgesetzt werden wollte. Er sah Andray an. Er machte einen verängstigten Eindruck. Da begriff ich, dass er die ganze Zeit das Ziel gewesen war.
    Schließlich bin ich nicht umsonst die beste Privatdetektivin der Welt.
    Nach einem kurzen Halt beim Eisenwarenladen, wo wir einen Schraubenschlüssel kauften, fuhren wir zu einem verlassenen Wohnblock im Irish Channel und tauschten meine Nummernschilder gegen ein neues Paar aus, das wir vom Buick eines alten Mannes geklaut hatten. Wie sich herausstellte, war Dreadlock der berüchtigte Terrell. Er war ein cleveres Kerlchen und ersetzte meinen zerschossenen Seitenspiegel durch einen neuen, den er von einem fremden Truck abmontiert hatte. Mit meiner Erlaubnis zog er ein Kanteisen aus einem Müllhaufen, um damit meine hintere Stoßstange einzudellen. Niemand hätte den Truck jetzt noch wiedererkannt. Nun, da er nicht mehr versuchte, mich zu beeindrucken, kam Terrells sonniges Gemüt zum Vorschein. Mit einem Grinsen im Gesicht verbeulte er meinen Truck.
    »Die andere Seite auch?«, fragte er höflich, nachdem er die Beifahrertür eingedellt hatte. »Oder sollen wir es so lassen?«
    Wir kamen überein, es so zu lassen.
    Die Veränderungen am Auto würden uns Ärger mit den Cops ersparen. Was die Schützen anging, war ich mir weniger sicher. In den meisten Städten hätte ich mir keine großen Sorgen gemacht. Wir weißen Ladys befinden uns in Sicherheit, solange wir in unseren eigenen Vierteln bleiben, die, ob von uns gewünscht oder nicht, vom generationenalten Rassismus profitieren. Niemand ist erpicht auf den Ärger, den man bekommt, wenn man ein fernsehnachrichtentaugliches Opfer erschießt. Meiner Befürchtung nach aber würde in New Orleans nicht einmal ein weißes, weibliches Opfer das besondere Interesse der Polizei wecken. Vor wenigen Tagen war in Bywater eine Weiße ermordet worden. Sie wurde zu Hause erschossen, während sie

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