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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Schlepptau haste ich die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße. Die Festbeleuchtung im Hafen reicht nicht aus, um die Gassen zu erhellen. Es ist stockdunkel.
    Ich umklammere seine Hand. Ich liebe das Gefühl unserer fest verschlungenen Finger.
    »Finn hätte nichts dagegen«, sage ich.
    »Genau.« Seine Stimme ist sanft.
    Elliotts Dampfkutsche steht immer noch vor dem Debauchery Club. Ein mit einer Muskete bewaffneter Wachmann ist daneben postiert.
    »Wir müssen dringend zum Hafen«, platze ich heraus.
    »Miss Worth?«, fragt er, obwohl ich schwören könnte, dass ich den Mann noch nie zuvor gesehen habe. »Ich werde Sie so nahe hinbringen, wie ich bei dem Besucherandrang nur kann.«
    Elliotts Dampfkutsche ist lediglich für zwei Passagiere gebaut, doch Will zieht mich auf seinen Schoß und hält mich fest, während der Soldat durch die Straßen rast. Mir fällt auf, dass er zweimal über die Schulter blickt und Will stirnrunzelnd ansieht. Und mich ebenfalls.
    Schließlich sind die Straßen so verstopft, dass er anhalten muss. Wir steigen aus.
    »Viel Glück«, sagt er. Will nickt.
    In den Straßen wimmelt es nur so von Menschen, sodass wir kaum vorwärtskommen. Überall stehen Straßenhändler herum, die fluoreszierende Halsketten verkaufen. Einer hat sich mindestens ein Dutzend davon umgehängt, sodass sein Gesicht grünlich leuchtet. Seine Zähne sind gelblich verfärbt, und auch das Weiße in seinen Augen hat eine höchst ungesunde Farbe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine unheimliche Gesichtsfarbe von den fluoreszierenden Halsketten allein herrührt. Sein Hemdsärmel rutscht hoch und entblößt einen übel aussehenden Ausschlag. Ich unterdrücke einen Schrei und weiche zurück. Will, der direkt hinter mir steht, legt mir die Hand auf die Schulter und stützt mich.
    »Das ist nur eine Hautabschürfung«, sagt der Mann und weicht ebenfalls zurück, zuerst einen Schritt, dann noch einen, als wolle er weglaufen. Wenn ich mit dem Finger auf ihn zeige und herumschreie, dass er sich mit der Krankheit angesteckt hat, wird die Menge ihn in Stücke reißen. Ich habe so etwas schon häufiger beobachtet. Auch mit Finn zusammen.
    Eine der Halsketten landet in meiner Hand. Ich betrachte sie einen Moment lang und registriere, dass der infizierte Mann in der Menge abtaucht. Die Feierstimmung, die ich gerade auf dem Dach des Morgue noch empfunden habe, ist auf einen Schlag verflogen. Die Leute mustern einander argwöhnisch, sorgsam darauf bedacht, stets auf Abstand zu bleiben. Ich sehe ein Messer in der Verborgenheit eines langen Ärmels aufblitzen. Alle halten ihre Mäntel dicht um sich gewickelt und beobachten den Hafen.
    Doch die Mienen der Menschen verraten keine gespannte Erregung, keine Freude. Stattdessen liegt ein hungriger Ausdruck darin, als erwarteten sie ein Spektakel der ganz besonderen Art. Eine Hinrichtung vielleicht. Viel zu viele haben die Leuchthalsketten um, in deren Schein ihre Gesichter unheimlich grünlich glühen.
    »Wir müssen zum Schiff!«, rufe ich Will zu. Irgendwie habe ich inzwischen seine Hand verloren.
    Ich schiebe mich zwischen zwei Schaulustige, doch in diesem Augenblick macht eine Frau einen Schritt zur Seite, sodass ich sie versehentlich streife. Mit einem erschrockenen Aufschrei zuckt sie zurück. Prompt gerate ich ins Straucheln und pralle gegen den Jungen neben ihr. Angewidert ziehe ich meine Hand weg, als ich die Wärme seiner Haut an meinen Fingern spüre.
    In diesem Augenblick merke ich, dass Will verschwunden ist.
    Ich drehe mich einmal um die eigene Achse und halte nach ihm Ausschau, aber der Weg, den ich mir durch die Masse gewühlt habe, hat sich hinter mir längst wieder geschlossen. Von Zeit zu Zeit teilt sich die Menge, sodass neue Gassen entstehen, doch ich bin nicht sicher, welche ich nehmen soll, um zurück zu Will zu gelangen. Panik steigt in mir auf. Ich kann auf keinen Fall allein hierbleiben.
    Fanfarenklänge ertönen, und eine Gruppe gut gekleideter Männer tritt an Deck des Schiffes.
    Vor einer Woche erst habe ich genau hier an diesem Pier mit meinem Vater gestanden. Wären die Wachen nicht gewesen, hätten wir die einzigen Menschen auf der Welt sein können. Doch nun drängen sich Hunderte Menschen rings um mich herum. Ich will mir lieber nicht vorstellen, aus welchen düsteren Behausungen sie gekommen sind. Ich schiebe mich zwischen zwei Männer. Einer von ihnen packt mich. Ich reiße mich los, und auf einmal habe ich die Menge hinter mir gelassen und stehe

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