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Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Kovac
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schwieg er jetzt. Erst als wir die Waren auspackten, fing er sich ein bisschen, begann sich selbst zu loben, wie er das immer so machte, indem er mit seinen städtischen Bekanntschaften angab, die wichtige Namen, richtige Titel hatten. Aber wir waren schon lange keine aufmerksamen Zuhörer mehr, nur zwei Menschen, die mit Berechnung schwiegen, die aus Kalkül lachten, über das, was er sagte. Mutter und Sohn waren wir, Vaters zwei »humorvolle Diener«. Aber er begriff unsere Taktik und änderte seine eigene. Er ging nicht mehr auf unsere Sticheleien ein und erzählte uns, dass einer seiner guten Freunde gestorben war, er sei ein schlauer und adliger Kopf gewesen, ein Nachfahre berühmter Chirurgen. Dann fing er an von seinem verstorbenen Freund Ivan Rubinović zu erzählen, vor langer Zeit, sagte Vater, hätte einer seiner Vorfahren am Stadttor eine wichtige Aufgabe ausgeführt. Er sei für das Durchwinken der Leute zuständig gewesen, keiner, der die Stadt betreten wollte, sei an ihm vorbeigekommen. Er entschied, ob die Kranken durchkamen oder nicht, die Wachen brachten sie zu Ärzten. Damals nannte man die Ärzte noch Physicus und Magister. Vater erzählte, dass ihm der Tod seines edlen Freundes zugesetzt hatte und er deshalb in der Stadt geblieben sei. »Wir tranken wieder und wieder auf seine Seele, und mit einem Arzt aus seiner Familie habe ich ein großes Geschäft für uns vereinbart. Wir verkaufen jetzt Heilpflanzen!« Mutter war wütend. »Und dann hat er auch noch ein Gläschen auf die Heilpflanzen getrunken?«
    »Auch darauf haben wir getrunken, meine Verehrte«, sagte Vater.
    »Dann können wir glücklich sein, dass du den Weg zu uns zurückgefunden hast«, sagte ich. »Du hättest ja wie der adlige Typ sterben können.«
    »Ja, das hätte durchaus sein können«, sagte er. »Jeder muss einmal sterben, ob er vom Adel ist oder vom Gesindel.«
    »Als wir merkten, dass du offenbar eine Weile fortbleiben wirst, nahmen wir an, dass du hier eines Tages mit einer jungen Frau von der Küste auftauchen würdest, dass du unser Hab und Gut schon auf Hochzeit und Hochzeitsgäste verschwendet hast«, sagte Mutter. Und ich konnte es mir nicht verkneifen, genüsslich zu lachen, denn ich liebte es, wenn meine Mutter diesen ironischen Ton hatte, die Art, mit der sie ihre Sätze sprach.
    »Wenn ich eine andere herbringen wollte, müsste ich ja erst Witwer sein«, sagte er. »Wenn mich aber nicht alles täuscht, ist meine Frau noch nicht gestorben, aber hiermit verspreche ich in Anwesenheit dieses Zeugen, dass ich mich gleich einen Tag nach ihrem Tod vermählen werde, aber Gott behüte, geplant habe ich das nicht.«
    Eine ganze Weile gingen die Sticheleien noch so weiter, einen Streit wie früher gab es aber nicht, im Gegenteil, alles ging ruhig vonstatten, die Verachtung war zwar nicht zu übersehen, luzide Witze überwogen aber in den Gesprächen. Früher eskalierte immer alles, vulkanartig brachen die Streitereien zwischen meinen Eltern auf, und in aller Regelmäßigkeit flogen die Gegenstände nur so durch das Geschäft. Jetzt hatten wir eine neue Ebene erreicht, es schien, als ob alle Beteiligten verstanden hätten, dass der Lärm zu nichts führte, ohnehin war das Zerstören und Herumwerfen der Gegenstände sinnlos und absurd, denn es war schwer, sie überhaupt zu bekommen. Mutters Ironie wurde eine Waffe, mit der es uns gelang, Vaters Autorität für immer zu untergraben. Wenn nichts anderes, so hatten wir immerhin erreicht, dass er eine Bitte an uns richten musste, wenn er Hilfe brauchte. Früher hatte er einfach alles selbstverständlich vorausgesetzt. Jetzt hielten wir die Zügel in der Hand, nannten die Dinge beim Namen, sagten es ihm direkt, dass er stank, wenn er nach Erbrochenem roch, sagten, dass seine Augen nur deshalb so rot waren, weil er ja ach so viel um seinen toten Freund geweint hatte, und ganz bestimmt auch wegen all der anderen wichtigen und berühmten und in allem so bedeutenden Vorfahren. Wohlfeil flogen unsere Bissigkeiten durch die Luft, aber auch er ließ sich einiges einfallen, ließ nichts unerwidert, talentlos konnte man ihn in dieser Hinsicht also nicht nennen. Seine Rückkehr führte aber letztlich dazu, dass wir mehr als früher miteinander lachten. Die Ironie kippte irgendwann in Zuneigung und Fröhlichkeit, dann kam es vor, dass Mutter und ich ihn sogar streichelten wie ein Kind.

29
     
    Eigentlich vertrug mein Vater überhaupt keinen Alkohol. »Der Kater danach dauert immer länger

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