Die Stadt - Roman
Stellen noch feucht waren, glänzender, makelloser Parkettboden, Anschlüsse für Küche und Heizung, die Badezimmer mit allen notwendigen Installationen versehen.
Benjamin hob den Toilettendeckel und stellte fest, dass Wasser im Abfluss stand. Aber wohin die Dinge verschwanden, die hinuntergespült werden mussten, blieb ein Rätsel, denn die neuen fünf Stockwerke ruhten zwar auf den Außen- und Zwischenmauern des um viele Jahre älteren Gebäudes, waren aber nicht mit seinen Leitungssystemen verbunden. Es gab einen – leeren – Aufzugsschacht, der vom achtundfünfzigsten bis in den zweiundsechzigsten Stock führte, und es gab auch eine Treppe, aber die einzige Verbindung zu der siebenundfünfzigsten Etage und dem Rest des Gebäudes war das runde Loch in der Decke, unter das Louise einen Tisch geschoben und darauf einen Stuhl gestellt hatte.
Das letzte Stockwerk erwies sich als große und sehr angenehme Überraschung für sie alle. Ob die leeren Konservendosen, die Louise für ihre Warnfallen verwendet hatte, aus dieser Etage stammten, blieb Spekulationen überlassen – es hätte bedeutet, dass schon jemand vor ihnen da gewesen war, doch es gab keine Spuren, die darauf hindeuteten. Louise hatte sie in einer der Wohnungen weiter unten gefunden; vielleicht stammten sie von Unabhängigen, die irgendwann einmal dieses Gebäudes durchstreift hatten.
Die letzte Etage enthielt ein großes, vollständig eingerichtetes Apartment, zu dem auch noch eine geradezu riesige Dachterrasse gehörte, komplett mit Markise, Hollywoodschaukel, steinernem Grill, einem langen Tisch und gemütlichen Stühlen. Sieben Zimmer boten jeden Komfort: große Kingsize-Betten, eins mit einem ebenso großen Spiegel an der Decke; zwei Bäder mit Whirlpools, die Schränke darin aus Mahagoni; im Salon ein Flachbildfernseher mit einer Diagonalen von zwei Metern, eine Surround-Anlage (mit
beidem ließ sich ohne Strom nichts anfangen) und eine Bar, die ebenso leer war wie die Teakholz-Kleiderschränke in den Schlafzimmern. Auf dem Schreibtisch im Arbeitszimmer stand ein PC, der ohne Elektrizität ebenso nutzlos war wie die Geräte im Wohnzimmer. Eine Schrankwand enthielt zahlreiche Bücher, viele von ihnen in Leder gebunden, aber als Benjamin sie aufschlug, fand er nur leere Seiten.
»Vielleicht hatte die Stadt noch keine Zeit, sie zu schreiben«, sagte Velazquez. Kowalski schien das für Unsinn zu halten, denn er verzog kurz das Gesicht und schüttelte den Kopf, verzichtete aber auf einen Kommentar, öffnete die Tür zur Dachterrasse und begann damit, seine Instrumente auszupacken und aufzubauen. Als er Benjamins Blick bemerkte, sagte er: »Von einem Punkt so weit über der Stadt kann ich die Gezeiten am besten messen.«
Bevor Benjamin fragen konnte, was er damit meinte, rief Katzmann aus der Küche: »He, seht euch das an!«
Er stand vor dem geöffneten Kühlschrank, und der Kühlschrank war voller Lebensmittel: Milch, Käse, Eier, Würstchen, in Stücke geschnittenes Fleisch, frisches Gemüse, eine geöffnete Dose mit Corned Beef, die sich Louise schnappte. Sie öffnete eine Schublade, fand eine Gabel, probierte einen ersten Bissen und schloss dabei genießerisch die Augen. »Die Dose kann erst vor kurzer Zeit geöffnet worden sein.«
»Von wem?«, fragte Benjamin, woraufhin sie mit den Schultern zuckte.
»Der Inhalt des Kühlschranks ist kalt«, sagte Katzmann. »Er muss bis vor kurzer Zeit in Betrieb gewesen sein.«
Zwei der Küchenschränke enthielten Konserven aller Art, und in den anderen fanden sie Töpfe und Teller.
Velazquez drehte an den Schaltern des Herds. »Kein Gas und kein Strom. Wir haben frische Lebensmittel, können aber nicht kochen.«
»Von wegen«, widersprach ihm Louise mit vollem Mund. »Wir holen uns das Holz zertrümmerter Möbel aus den unteren Etagen, zünden in einem der leeren Apartments ein Feuer an und kochen dort. Und wenn alles fertig ist, machen wir es uns hier gemütlich, am Kamin im Wohnzimmer. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zum letzten Mal in einem so riesigen Bett geschlafen habe.«
»Du willst hier übernachten?«, fragte Benjamin.
»Warum nicht?«
»Und was ist hiermit?« Velazquez deutete auf das Funkgerät. »Hannibal erwartet einen Bericht. Und er will bestimmt, dass wir bis heute Abend heimkehren.«
»Interferenzen«, sagte Louise und nahm noch einen Bissen aus der Dose. »Du hast immer wieder versucht dich mit ihm in Verbindung zu setzen, aber es klappte einfach nicht. Und überhaupt …
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